Seite 35 - Muenzbuch

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Herzogliche Prägungen im Spätmittelalter
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Heinrich der Friedfertige ließ um 1470 in Gandersheim drei Sorten Münzen prägen, Hohlpfennige,
Körtlinge und große Groschen, wie das Braunschweiger Schichtbuch von 1514 und ein Schreiben des
Rates von Hildesheim aus dem Jahre 1470 besagen.
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Heute lässt sich keine der bekannten Münzen
diesen schriftlich erwähnten Prägungen zuordnen. Sie konnten sich nirgendwo durchsetzen, da sie zu
wenig Silber enthielten; bei den herzoglichen Körtlingen war es um ein Drittel weniger als bei den ent-
sprechenden Münzen aus Hildesheim und Göttingen. Die Münzstätte sollte offenbar eine neue Er-
werbsquelle des Herzogs sein. Aber der Plan scheiterte. Im Jahre 1470 verbot der Rat der Stadt Braun-
schweig, die in Gandersheim geprägten Körtlinge anzunehmen.
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Einige Herzöge imitierten sächsische und hessische Groschen, die sie in den eigenen Münzstätten
teilweise mit geringerem Silbergehalt als ihre Vorbilder produzieren ließen, um damit höhere Ge-
winne zu erzielen.
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Heinrich III. von Salzderhelden (1427-1463) ließ in Salzderhelden und Albrecht
III. von Herzberg (1465-1485) in Osterode Meißner Groschen nachahmen, ebenso Herzog Wilhelm
der Ältere von Calenberg (1428-1482) in Eldagsen und Pattensen sowie Friedrich II. von Lüneburg
(1444-1478) in Moringen.
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Diese Münzen werden in der Numismatik meist als ‚Beischläge’ bezeichnet;
aber in Wirklichkeit waren es manipulierte Münzen, die aus heutiger Sicht in betrügerischer Absicht
hergestellt wurden (siehe unten S. 69). Mangels finanzieller Möglichkeiten konnten die Herzöge nur
vorübergehend eigene Münzen produzieren. Gegen den Widerstand der Städte war es nicht durchzu-
setzen, dass der Groschen die einzig gültige Landesmünze wurde. Die Hohlpfennige kursierten weiter.
Somit bestimmten die städtischen Prägungen das niedersächsische Geldwesen des Spätmittelalters.
Zahlreiche Münzen des 14. und 15. Jahrhunderts, die in den Katalogen und Münzkabinetten nach
Braunschweig-Lüneburg gelegt wurden, sind nicht mit Sicherheit einem bestimmten Herzog oder
einer bestimmten Münzstätte zuzuweisen, vor allem dann, wenn die Umschriften fehlen. Manche der
Pfennige, die vom Typ her den Münzen der Welfenherzöge ähnlich sind und oft als herzogliche
Prägungen aufgeführt sind, können durchaus auch städtische Münzen sein. Da in Braunschweig schon
unter Heinrich dem Löwen eine wichtige Münzstätte der Welfen bestand, werden auch seine Nach-
kommen, die über Braunschweig und seine Umgebung herrschten, viele ihrer Münzen in Braun-
schweig produziert haben. Wegen wechselnder Gemeinschaftsrechte der verschiedenen welfischen
Linien an der Stadt Braunschweig und der dort befindlichen Münzstätte ist es grundsätzlich nicht aus-
zuschließen, dass auch Herzöge der Linien Lüneburg oder Calenberg Münzen in Braunschweig prägen
ließen. Aber in der Regel dürften diejenigen Herzöge, die über das Braunschweig benachbarte Um-
land herrschten, auch die Münzprägung in Braunschweig veranlasst und beauf-
sichtigt haben. Dies änderte sich allerdings mit dem Verkauf der Münz-
stätte an die Stadt Braunschweig im Jahre 1412 (siehe unten S. 72).
Damit verzichteten die Herzöge auf eine eigene Pfennigprägung;
davon war aber of fensichtl ich die Neueinführung von
Groschen, die sie in anderen Münzstätten produzieren
ließen, nicht betroffen.
Braunschweiger Löwenpfennig
(Vergrößerung der Abb. 76)