Seite 51 - Muenzbuch

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Der Übergang zur Großsilbermünze und die Münzprägung zur Zeit Heinrichs des Jüngeren
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Das erste Münzporträt eines Braunschweiger Herzogs
Seit 1539 ließ Heinrich der Jüngere sein Porträt auf der Vorderseite seiner Münzen abbilden. Echte
Herrscherporträts waren in der Renaissance erstmals wieder nach vielen Jahrhunderten auf die
Münzen gesetzt worden. Vor allem auf den Münzen großer Wertstufen verbreitete sich als Vorder-
seitenbild das Fürstenporträt in allen monarchisch regierten Staaten. Die großf lächige Silbermünze
des Talers bot sich dazu an. Die Dicke des Talerschrötlings ließ die Verwendung tief eingravierter
Stempel zu und damit erhabenere und konturenreichere Bilder. Bei Heinrich dem Jüngeren kommen
möglicherweise auch politische Motive hinzu, als er 1538 die Talerprägung mit dem sitzenden Krieger
beendete und neue Motive auf seine Münzen setzen ließ. Nachdem im Frühjahr 1538 der Schmal-
kaldische Bund in Braunschweig getagt hatte, wurde an Pfingsten desselben Jahres in Nürnberg der
Gegenbund gegründet; Heinrich der Jüngere wurde zum Bundeshauptmann gewählt.
Heinrich der Jüngere, der sich als erster
der Braunschweiger Herzöge auf
Münzen porträtieren ließ (Abb. 111)
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,
trägt eine Schaube, eine Art Barett aus
Brokat, auf dem Kopf und eine plissierte
Jacke, darüber einen weiten Pelzrock,
dessen Kragen umgeschlagen ist. Auf
der Brust hängt eine Kette mit einem
Orden oder Schmuckstück. Im selben
Jahr 1539, als der erste Porträttaler geprägt wurde, entstand auch eine Medaille, die ein ähnliches
Porträt Heinrichs des Jüngeren zeigt (siehe unten S. 118).
Auf der Rückseite der Münzen erscheint erstmals der Wilde Mann, das Symbol des Harzes, nach
dem auch die Siedlung Wildemann, die 1534 Stadtrechte erhielt, und die gleichnamige Grube be-
nannt sind. Der Wilde Mann, eine Sagengestalt
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, die wahrscheinlich von Bergleuten aus dem Erz-
gebirge bei der Wiedereröffnung der Harzbergwerke mitgebracht worden war, ist nackt und behaart
mit einem ausgerissenen Baum in der rechten Hand dargestellt. Was das Objekt, das er in der Linken
hält, darstellt, ist umstritten.
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Am wahrscheinlichsten ist die Interpretation als Erz- bzw. Silberstufe
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,
die bald auch wie ein Tannenzapfen abgebildet wird.
Der Wilde Mann zeigte an, wo das Edelmetall herkam, das die Braunschweiger Herzöge für die
Produktion ihre Münzen und Medaillen benötigten, nämlich aus dem Harz. Da die Grube Wildemann
eine der ersten war, die Herzog Heinrich mit Silber versorgte, könnte dies letztendlich den Ausschlag
gegeben haben, den Wilden Mann auf die Münzen zu setzen.
Die ursprüngliche Sagenfigur des Wilden Mannes wurde im Zeitalter der Glaubenskriege zum
Symbol für das Leben und Wirken Heinrichs des Jüngeren, wie ein Gedicht des Burkard Waldis von
1542 zeigt. Als ‚Wilder Mann von Wolfenbüttel’ wurde Heinrich der Jüngere von Zeitgenossen be-
zeichnet.
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Die Figur weist gleichzeitig aber auch auf den Streit des Herzogs mit Goslar hin, bei dem
es sowohl um die Wälder mit dem für den Erzabbau notwendigen Holz als auch um die Bergbaurechte
ging. Baumstamm und Erzstufe in den Händen des Wilden Mannes zeigen, wer diese Rechte be-
anspruchte, der ‚Wilde Mann’ Heinrich der Jüngere.
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Die umfangreiche Münzprägung Herzog Heinrichs des Jüngeren in der Münzstätte Riechenberg er-
wies sich nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes als ungemein hilfreich, sondern
brachte auch dem Herzog erhebliche Gewinne. Im Jahre 1540 wird der Ertrag der Münzstätte
Riechenberg mit 6.310 Gulden beziffert.
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Aus dem Jahre 1539 ist aber auch die Klage überliefert, dass
das Klostergebäude von Riechenberg, in dem sich die Münzstätte befand, verweltlicht sei. Es regiere
mehr der Herzog im Kloster als der Probst.
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Münzmeister in der herzoglichen Münzstätte Riechenberg
war von 1535 bis 1538 Hans Köhne (Kühne, Kohnen), der danach, spätestens 1543, als Münzmeister in
Abb. 111:
Braunschweig-Wolfen-
büttel, Heinrich der
Jüngere, Taler 1539,
Münzstätte Riechenberg. –
Silber. 28,51 g. 41mm. –
Niedersächsisches
Münzkabinett der
Deutschen Bank Hannover
Inv.-Nr. 01.097.050.
Vorderseite:
HENRIC · D · G · BRVNS :
LVNE · D; Brustbild Herzog
Heinrichs des Jüngeren
nach links. In der Umschrift
die Wappenschilde von
Lüneburg, Homburg, Eber-
stein und Braunschweig.
Rückseite:
NON
*
VIDI
*
IVSTVM
*
DERLICTVM
*
(= Einen
Gerechten sah ich nie ver-
lassen); Wilder Mann mit
Baumstamm in der Rechten
und Erzstufe in der Linken,
zwischen den Beinen die
abgekürzte Jahreszahl
(15)39. Oben fünfblättrige
Blüte.