Seite 91 - Muenzbuch

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Frühe bürgerliche Münzsammlungen
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Zehntes Kapitel
MÜNZSAMMLUNGEN UND MÜNZSAMMLER
IM BRAUNSCHWEIGISCHEN LAND
Um die Bedeutung der Münzen und Medaillen für Braunschweig und das Braunschweigische Land im
Laufe der geschichtlichen Entwicklung zu beurteilen, ist es angebracht, sich nicht nur mit den Objekten
selbst zu beschäftigen, sondern auch die frühesten Sammlerkreise zu charakterisieren und die be-
deutendsten Münzsammler, die das Braunschweigische Land vom 17. bis zum 19. Jahrhundert kannte,
zumindest zu erwähnen.
Mit dem systematischen Sammeln von alten Münzen begann man in der Renaissance, als unter dem
Eindruck der Wiederentdeckung der Antike der Wunsch erweckt wurde, möglichst viele Antiquitäten
zusammenzutragen. Fürsten, Aristokraten, Gelehrte und reiche Handelsherren fingen an, Münzen zu
sammeln, um entweder an ihnen die Geschichte zu erforschen oder auch nur um ihr Bildungsbewusst-
sein zu dokumentieren.
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Als erster Sammler von Münzen gilt Petrarca (1304-1374), der zu wissenschaft-
lichen Zwecken sammelte. Zunächst war Italien das Zentrum der Sammeltätigkeit. Große Münz-
sammlungen besaßen im 14. und 15. Jahrhundert etwa Alfons von Aragon in Neapel (1396-1458), die
Medici in Florenz, die Este in Ferrara. Bald sammelten auch außerhalb Italiens Könige und Fürsten
Münzen, so der Habsburger Maximilian I. (1459-1519) oder Franz I. von Frankreich (1494-1547). Das
historische Interesse der Mächtigen und Gebildeten galt zunächst vor allem den Münzen der römischen
Kaiser, später auch der griechischen Könige. Die Fürsten lernten aus ihnen, wie eine herrschaftliche
Münze auszusehen hatte, und orientierten die eigenen Prägungen an den antiken Vorbildern. Ihre Kinder
wurden anhand der Münzen in die griechische und römische Geschichte eingeführt.
Die numismatische Sammeltätigkeit, die in den Fürstenhäusern, aber auch in gebildeten und reichen
bürgerlichen Kreisen stetig wuchs, erreichte im 16. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt. Der Kupfer-
stecher und Maler Hubert Goltzius (1526-1583) will 950 vorwiegend private Münzkabinette in Europa be-
sucht haben.
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Gute Bibliotheken besaßen fast selbstverständlich eine Münzsammlung. Denn in den frühen
Büchern waren oftmals zur Untermalung und Erläuterung Münzen in Form von Kupferstichen abgebildet
(siehe unten S. 423). In Sachsen sammelte bereits Kurfürst August (1553-1586) Münzen. Die von ihm zu-
sammengetragenen Stücke lagen im Jahre 1590 in einem eigens dafür geschaffenen Münzschrank der
kurfürstlichen Bibliothek zu Dresden. In Bayern legte Albrecht V. (1550-1579) die Grundlage der heute noch
bestehenden Münzsammlung in München. In Paris ließ 1602 König Heinrich IV. von Frankreich eine
große Münzsammlung aufbauen, die ständig erweitert wurde und bis heute Teil der Bibliothèque Nationale
in Paris ist. Wenn im Zeitalter des Barock Fürsten ein Kunst- und Kuriositätenkabinett anlegten, waren in
der Regel auch Münzen und Medaillen Bestandteil der Sammlung. Auf die zahlreichen fürstlichen Münz-
kabinette, die im 16. oder 17. Jahrhundert entstanden und im 18. Jahrhundert weiter ausgebaut wurden,
gehen die meisten der heute staatlichen Münzkabinette zurück, darunter die Münzsammlung des Herzog
Anton Ulrich-Museums Braunschweig. Sie war, als 1754 das Herzogliche Kunst- und Naturalienkabinett in
Braunschweig durch Herzog Carl I. gegründet wurde, ein Grundstock des Museums. Ihre Ursprünge
lagen sowohl in fürstlichen als auch in frühen bürgerlichen Sammlungen im Braunschweigischen Land.
1. Frühe bürgerliche Münzsammlungen
Der im 18. Jahrhundert häufig gebrauchte Begriff ‚Münzbelustigungen’
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, der damals nicht abwertend
verstanden wurde, kennzeichnete die Beschäftigung mit Münzen als gelehrte Spielerei, der nicht nur