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WIE ALLES BEGANN
So wie die Geschichte der Stadt Wolfsburg mit der des Volkswagenwerks eng verbun-
den ist, so lässt sich auch die Geschichte der Wolfsburger Muslime nicht ohne das Werk
und sein expandierendes Wachstum erklären. Mit dem nationalen wie internationalen
Erfolg des Käfers wuchs der Bedarf an Arbeitskräften in der Wolfsburger Autofabrik
stetig. Deshalb entschied der Vorstand des Werks im Jahr 1970, von dem bereits 1965
abgeschlossenen Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und Tunesien Gebrauch zu machen und 200 tunesische Arbeitskräfte nach Wolfsburg
zu holen.
Im Protokoll der Vorstandssitzung vom 25. Mai 1970 heißt es:
Herr Backsmann unterrichtet den Vorstand von der Überlegung, die im Zusammenhang
mit der Beschaffung von Arbeitskräften angestellt wurden. Im Anschluss an die Reisen
einer Kommission des Personal- und Sozialwesens nach Belgrad, Rom und Tunesien
empfiehlt er, grundsätzlich bei italienischen Arbeitskräften zu bleiben, soweit sie zur
Verfügung stünden, im Übrigen den Versuch mit 200 Tunesiern zu machen; der Eindruck,
der sich in Tunesien geboten habe, sei sehr positiv.
Der Vorstand ist mit der Einstellung von 200 Tunesiern einverstanden.
Natürlich ist nicht auszuschließen, dass schon vor 1970 Muslime in Wolfsburg gelebt
haben, doch werden es wenige Einzelpersonen gewesen sein. Die meisten Muslime
der ersten Generation, die wir für die hier vorliegende Publikation interviewt haben,
gaben entsprechend an, dass sie Anfang der 1970er-Jahre nach Wolfsburg kamen,
um bei Volkswagen zu arbeiten.
So zitiert das Protokoll der siebten ordentlichen Betriebsversammlung vom 10. Septem-
ber 1970 den Betriebsratsvorsitzenden Hugo Bork mit den Worten:
Eine weitere Variante bei der Beschaffung von Arbeitskräften war – ich bitte, das jetzt
nicht wörtlich zu nehmen – der Sprung unserer Personalabteilung über das Mittelmeer
in den Schwarzen Erdteil.
Sie haben, je nachdem in welchen Abteilungen Sie eingesetzt sind, sicher schon festgestellt
an Ihrem Arbeitsplatz, dass nunmehr das erste Kontingent tunesischer Arbeitskollegen
unter uns weilt.
Von hier aus darf ich namens des Betriebsrates herzliche Grüße und ein Willkommen
Ihnen in unserer Belegschaft sagen. Diese Grüße und dieses Willkommen gelten allen
Kollegen, die das erste Mal unter uns weilen. Die Personalabteilung sagt zum Einsatz
dieser neuen Arbeitskollegen aus, dass bei dem tunesischen Kontingent – ich darf in
Erinnerung zurück rufen, dass der Präsident der Arbeitsanstalt (BA) selbst in Wolfsburg
gewesen ist und entsprechende Verhandlungen eingeleitet hat –, dass hier eine sorgfältige
Auslese erfolgt ist und die entsprechenden Arbeiter auf ihren Einsatz im Volkswagenwerk
vorbereitet sind.