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Zur Gesch i cht e des Kl os t er s St . Mar i enberg
der Seelmessen, waren Stiftsgeistliche zustän-
dig. Es waren durchschnittlich vier bis fünf, die
sich diesen Dienst mit dem in den (wenigen)
Patronatskirchen, die dem Stift unterstellt
waren, teilten, wo sie außerdem für die Pflege
des Pfarrhofes Sorge zu tragen hatten.
Für St. Marienberg ergibt sich nach Ulrike
Strauß das Bild eines nicht den ganz strengen
Regeln unterworfenen Stiftsalltags
26
. Dies
betrifft zum einen die Klausurbestimmungen:
Anlässlich des ersten Besuchs des jeweils neu
gewählten Abtes von Werden und Helmstedt
war es nämlich alte Gewohnheit, dass ihm die
Mönche von St. Ludgeri, die Bewohner von
Helmstedt, aber auch alle Stiftsangehörigen
St. Marienbergs in einer Prozession entgegen-
zogen – was für die Chorfrauen das Verlassen
ihres Klausurbereichs bedeutete. Dass dieser
Brauch, der seit dem 13. Jahrhundert nach-
weisbar ist, von den Diözesanbischöfen
geduldet wurde, kann nur bedeuten, dass die
Stiftsstatuten (Consuetudines), die auf der
Grundlage der Augustinusregel „... die Zeiten
des Gebets, des Wachens, Schlafens, Erholens,
Schweigens und Redens sowie die Handlungen
und den Pflichtenkreis aller Amtsträger
festlegen ...“
27
, diese Ausnahme ausdrücklich
vorsahen
28
. Die zweite Abweichung von der
Augustinusregel betraf die Frage des persön-
lichen Besitzes: Die Novizinnen erhielten beim
Eintritt in das Stift von ihrer Familie eine
Mitgift, über die sie frei verfügen konnten, und
die nach ihrem Tode in der Regel dem Stift
vererbt wurde
29
. Es ist allerdings anzunehmen,
dass die Möglichkeit, Privateigentum zu besit-
zen und zu verwalten, in der Zeit nach der
Gründung noch nicht bestand – lief dies doch
dem Geist der Augustinusregel völlig zuwider –,
sondern dass die Bestimmungen hierzu erst im
Laufe der Zeit gelockert wurden.
Das Stift hatte in seiner Anfangszeit einen so
regen Zulauf, dass der Patronatsherr sich –
nach der Urkunde von 1235 – bemüßigt sah,
mit 40 eine Obergrenze für in den Konvent
aufzunehmende Chorfrauen festzulegen
30
. Mehr
könnten weder untergebracht noch versorgt
werden. Diese recht hohe Zahl, die eine ent-
Sie wurde ebenfalls vom Konvent frei gewählt
und vom Diözesanbischof in ihrem Amt bestä-
tigt. Eine Unterpriorin stand ihr als Vertreterin
zur Seite.
Nur noch wenige weitere Ämter lassen sich
in Quellen nachweisen: Eine Schäfferin (procu-
ratrix) war dem Propst offenbar als Vertreterin
des Stifts bei Rechtsgeschäften zugeordnet und
gemeinsam mit diesem zuständig für die Ent-
lohnung von Arbeitern sowie für die Zahlung
von Steuern. Des weiteren sind eine Küsterin
für den Kirchendienst und eine Sangmeisterin
belegt – letztere versah wohl auch das Amt
der Bibliothekarin. Die große Mehrheit der
Konventualinnen übte kein offizielles Amt aus,
doch waren die meisten sicher in die alltäglichen
Arbeitsabläufe der Bewirtschaftung und Haus-
haltsführung eingebunden. Ein ganz wesent-
liches Element war in Frauenklöstern und
-stiften seit jeher das Erlernen und Ausüben der
textilen Handwerkskünste. Schriftliche Quellen
gibt es darüber nur vereinzelt, und auch für
St. Marienberg sind keine konkreten Berichte
dazu überliefert. Doch spricht sein reicher
Paramentenschatz für eine enorme Produktivi-
tät auf diesem Gebiet
23
. Nicht vergessen werden
sollte schließlich auch die schulische Erziehung
und Ausbildung, um den Klosternachwuchs auf
das Leben im Stift und seine künftigen Auf-
gaben vorzubereiten
24
. Üblicherweise wurden
die Novizinnen noch sehr jung dem Stift
übergeben. Ihre Noviziatszeit wurde durch die
Ablegung der Gelübde, die von der Einklei-
dungszeremonie und der Krönung durch den
Diözesanbischof begleitet wurde, feierlich
abgeschlossen; danach waren sie vollgültige
Mitglieder des Konventes. Im Gegensatz zu
ihnen lebten im Stift noch sog. Konversen,
Laienbrüder oder -schwestern, die nicht dem
geistlichen Stand angehörten
25
, und die weitere
Arbeiten in diesem komplexen Organismus
ausübten: etwa im Waschhaus, im Brauhaus
oder in der Küche. Meist waren sie in Auf-
sichtspositionen dem Gesinde übergeordnet.
Für die seelsorgerische Betreuung des Gesamt-
konventes, Chorfrauen und Konversen, für die
Feier der täglichen Messen und das Abhalten
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