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Res t aur i er t e Ob j ekt e
Adelheid von Bortfeld hingegen zeigt mit seinen
Jagd- und Minneszenen rein weltliche Themen.
Er besteht aus drei waagerechten Streifen mit
gleichartigem Aufbau: In die hügelige Land-
schaft im Bildvordergrund ist eine Vielzahl von
Tieren eingestreut, die sich z.T. hinterherjagen,
z.T. aber auch ruhig auf der Wiese stehen.
Jäger mit ihren Hunden oder Wilde Männer
mit einer Keule setzen ihnen nach, blasen dabei
in ihr Jagdhorn. Es ist aber eine ganz friedliche
Szenerie, wird doch kein Tier tatsächlich erlegt.
Vielmehr scheint das Vergnügen des Adels an
der Jagd mehr als ganz allgemeine Freude an
und in der Natur zum Ausdruck gebracht
worden zu sein. Im Zentrum vor den Hügeln
sind jeweils eine Minneszene oder weitere
figürliche Szenen dargestellt: ein adeliges Paar
beim Würfelspiel, eine prächtig gekleidete
Dame, die einen Kranz aus Blüten, die ihr
Kavalier ihr bringt, flicht, und immer wieder
das Thema der Jungfrau mit dem Einhorn.
Eine schier endlose Fülle von Motiven, und das
Auge wird nicht müde, in diesem Gewimmel
immer neue vergnügliche Details zu entdecken.
Auf den Hügeln erheben sich jeweils zwei
Bäume, deren Stämme sich zweimal umschlin-
gen und deren vielfach verzweigte Äste mannig-
faltige üppige Blüten tragen. Sie füllen den
weiten oberen Raum der jeweiligen Bildstreifen
voll aus und umranken in den Talzonen plat-
zierte, durch ihre Größe überdeutlich betonte
Wappen mit Helmzier. Bei ihnen handelt es sich
in den beiden oberen Reihen um eine Abfolge
von drei gleichen Wappen, während im unteren
Streifen ein viertes hinzutritt. Die Symbole auf
den Schilden und die Gestaltung von Helmde-
cke und Helmzier ermöglichen ihre Identifizie-
rung und Zuordnung zu konkreten Familien:
von Salder (Rose), von Steinberg (Steinbock),
vom Haus (Baumstumpf) und von Bortfeld
(zwei gekreuzte Lilienstäbe). Diese Familien
waren im frühen 15. Jahrhundert durch die
Hochzeit Heinrichs von Bortfeld mit Elisabeth
von Salder eng miteinander verbunden. Von
Steinberg und vom Haus beziehen sich jeweils
auf deren Mutterseite. Aufgrund des dargestell-
ten Themenkreises der Minne und der Minne-
(alle Ende 15. Jh.)
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. Die erstgenannten werden
mit großer Wahrscheinlichkeit in St. Marien-
berg selbst angefertigt worden sein; der
„Mantel“ stammt nachweislich aus der Kirche
zu Audorf bei Beetzendorf (südlich von Salz-
wedel). Renate Kroos führt außerdem noch ein
in dieser Technik gearbeitetes Antependium aus
Hildesheim (um 1410/20) und ein Antependium
aus Einbeck (um 1430) auf
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, so dass man von
einer gewissen Verbreitung in Südostnieder-
sachsen mit einer deutlichen Häufung in
St. Marienberg sprechen kann. Es ist mit guten
Gründen anzunehmen, dass auch der Anna-
Selbdritt-Behang hier entstanden ist.
3.1.2 Der sog. Jagd- oder Wappenteppich
(um 1430)
Der größte Teil der St. Marienberger Textilien
ist für liturgische Zwecke hergestellt worden
(meist handelt es sich um Antependien, also
Altarbehänge), bzw. trägt religiöse Darstellun-
gen (Passionsszenen, Heiligenlegenden usw.).
Der sog. Jagd- oder Wappenteppich der
Abb. 12: Kloster St. Marienberg,
Tuchdecke Anna Selbdritt,
Detail (Mittelgruppe)
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