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Res t aur i er t e Ob j ekt e
vollständig ausgefallen und zu unbekannter Zeit
mancherorts mit roten Fäden grob befestigt
worden. Am unteren Rand von Ia hatten sich
große Fehlstellen gebildet. Manche der grund-
sätzlich stark verbleichten Seidendreiecke der
Wappenfelder fehlten. Schmutz, Staub, Rost-
und Wachsflecken beeinträchtigten den
Gesamteindruck.
Man trennte zunächst die zu Stauchungen
führenden Nähte auf, entfernte unterlegte
Stoffteile und löste die umgeschlagenen Ränder.
Nach Prüfung der Fasern auf Farbechtheit
wurden die Teile des Margaretenbehangs in
entmineralisiertem Wasser gereinigt und
geglättet. Die Farbigkeit des Behangs kam
dadurch wieder deutlicher zum Vorschein. Er
erhielt dann ein neues Stützgewebe, das in
Material, Struktur, Farbe und Charakter dem
Original nahe kam. Die Fehlstellen wurden mit
feinen Überfangstichen im Gewebe fixiert –
kaum sichtbar für den Betrachter. Zusätzliche
Stützlinien zwischen den beiden Gewebeschich-
ten bewirkten einen dauerhaften Spannungs-
ausgleich. Die später eingesetzten roten und
andersfarbigen Fäden wurden entfernt. Auf
einer mit Molton bespannten Holzplatte wird
das Stück in einer Glasvitrine der Schatzkam-
mer präsentiert.
Der Margaretenteppich von Helmstedt ist
ein bedeutendes Zeugnis für die Margareten-
frömmigkeit des Mittelalters. Die Verbreitung
ihrer Legende spiegelt sich in der Literatur wie
in zahlreichen Kunstwerken; an mittelalter-
lichen Bildteppichen mit ihrer Vita haben sich
allein in Niedersachsen sechs erhalten – in
St. Marienberg selbst mit dem Margareten-
behang II ein weiterer, er stammt aus der Mitte
des 14. Jahrhunderts und lehnt sich sticktech-
nisch und ikonographisch eng an das ältere
Stück an
91
.
Die Bedeutung der Heiligen für geistliche
Frauengemeinschaften war immens – war sie
doch aufgrund ihres festen Glaubens und der
unerschütterlichen Verteidigung ihrer Jung-
fräulichkeit geradezu ein Idealvorbild für die
dem Keuschheitsgelübde unterstellten
Konventualinnen.
Wappenschilde in unterschiedliche Ornament-
rahmungen eingefügt: Sie hängen entweder an
gebogenen, wie Medaillons um sie herumgeleg-
ten Lilienzweigen oder werden von symme-
trisierten Rosenranken umgeben. Auf die Spitze
gestellte Rautenfelder bilden ihren Fond,
zierliches Rankenwerk mit zeittypischen,
angespitzten Blättchen füllt die Zwickel.
Bemerkenswert ist der Materialwechsel
zwischen Bild- und Wappenfeldern: Erstere
wurden auf heute bräunlichen, ursprünglich
wohl weißen Leinengrund
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gestickt, so auch
die Wappenrhomben; deren Zwickelfelder
jedoch bestehen aus applizierten Seiden-
dreiecken, die in ihrer ursprünglich roten Farbe
eine besonders edle Rahmung bildeten. Damit
hatte man nicht nur eine abwechslungsreiche,
geschmackvolle Gesamtgestaltung geschaffen,
sondern auch den Kontrast zwischen beiden
Ebenen verstärkt und die Lesbarkeit der
Heiligenlegende deutlich erhöht.
Die Wappen sind klar bestimmbar und
folgenden Familien zuzuordnen: 1. Edelherren
von Warberg (rote Haselwurzstaude in Weiß),
2. Grafen von Wernigerode (zwei rote Forellen
in Weiß), 3. Grafen von Regenstein (rotes
Hirschhorn in Weiß), 4. Grafen von Blanken-
burg (schwarzes Hirschhorn in Weiß), 5. Grafen
von Eberstein (weißer gekrönter steigender
Löwe in Blau)
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. Diese Familien sind vielfach in
Beziehung zum Stift St. Marienberg getreten.
Mechthild von Warberg ist dort zwischen 1294
und 1307 Priorin; zwischen dem letzten Viertel
des 13. Jahrhunderts und dem Anfang des
14. Jahrhunderts lässt sich eine Reihe von
Schenkungen der genannten Familien, die in
direkten Verwandtschaftsverhältnissen zu
Mechthild stehen, dorthin nachweisen
89
. Von
besonderer Bedeutung ist darunter eine Schen-
kung zur Begehung des Margaretenfestes im
Jahr 1292
90
. Es spricht viel dafür, den Marga-
retenbehang damit in Verbindung zu bringen.
Das Textil (Ia, Ib) befand sich vor der
Restaurierung 1990 in schlechtem Zustand. An
manchen Stellen war es überdehnt, an anderen
gestaucht. Teile der Stickereien flottierten bzw.
fehlten. Die schwarzgestickten Teile waren fast
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