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Die beiden Quadrigen des ehemaligen Residenzschlosses
Namen Brunonia vergaben. Ihre Abwand-
lung des Schenkungsauftrags wurde indes
nie angefochten. Die Landstände dürften
die lokale Spezialisierung einer antikischen
Victoriagottheit gewiss vorgezogen haben,
ehrten sie doch mit der neuen Stadt- und
Landesgöttin Brunonia als ihrem Geschenk
zum Thronjubiläum am 25. April 1856 die
alte und neue Herrschaft des Landes und
ihre Residenzstadt. Rietschels Aufgabe be-
stand nun darin, für die allegorische Figur
Brunonia eine eigenständige Form zwi-
schen der damals für sinnbildliche Figuren
üblichen antiken Form und der neuen Lo-
kalorientierung zu erfinden, die alle Teile
des Viergespanns prägen würde.
Arbeitsbeginn 1855 am Gipsmodell
Rietschel wollte im Dezember 1855 damit be-
ginnen, das kleine Gipsmodell, bei ihm
„Skizze“ genannt
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, zu entwerfen. Es sind
heute im Dresdener Albertinum nur noch
Teile erhalten geblieben: die Brunonia und
der Wagenkasten
(Abb. 23; 26)
. Erst Anfang
Januar 1856 tauschten sich Rietschel und
Schiller brief lich über die Gestaltung und
die heraldische Ausstattung von Brunonia
und Wagen grundlegend aus.
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Die Ergeb-
nisse der Korrespondenz schlugen sich ge-
wiss in vielen Zeichnungen nieder, von
denen bis heute leider nur zwei bekannt sind.
Im Städtischen Museum Braunschweig
befindet sich eine kleine Skizze der Bruno-
niafigur bis zur Wagenoberkante, die auf-
grund der Korrespondenz von Rietschel
und Schiller wohl auf den Januar 1856 zu
datieren ist
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(Abb. 24)
. Schiller beschriftete
sie gut lesbar mit „Erster Entwurf zur Bru-
nonia für das Braunschweiger Schloss, ge-
zeichnet von Ernst Rietschel. Beglaubigt
von Carl Schiller“. Im Dresdener Alber
tinum wird außerdem noch eine genaue
Nachzeichnung der Brunonia mit Ehren-
stab und Zügeln im Wagen von 1857 ver-
wahrt, die den älteren Endzustand des Mo-
dells von April 1856 wiedergibt
(Abb. 25)
. Sie
war ein Geschenk Rietschels. Stolz zeigt sie
den vom Herzog angenommenen Ent-
wurf.
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Anhand dieser Eckdaten entstand
das Quadrigatischmodell zwischen Januar
und März 1856.
Am 25. April war bereits der Tag des her-
zoglichen Jubiläums. Viel Entwurfszeit hat-
te Rietschel wahrhaftig nicht gehabt. Viel-
leicht modellierte er daher die heute
verlorenen Pferde, die zu viert sehr arbeits-
▶
Abb. 24:
Ernst Rietschel, früheste
Entwurfsskizze für
die Brunonia des
Tischmodells, wohl Januar
1856, Städtisches
Museum Braunschweig,
Reprograf ie.
▶ ▶
Abb. 25:
Ernst Rietschel, Zeich
nung der Brunonia des
vollendeten Tischmodells,
1857, Dresden,
Kupferstichkabinett.