Seite 24 - Quadriga

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Die beiden Quadrigen des ehemaligen Residenzschlosses
Seitenf lächen des Modellwagens und auch
den römischen Streit- und Triumphwagen
aus dem 1. Jh. v. Chr.
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Die zierlichen Ranken des Akanthus
(eine Bärenklauart) auf den Seiten von Riet-
schels Modellwagen entstammen ebenfalls
der antiken Kunst und zwar der Ranken-
form z. B. vom Altar Ara Pacis von ca. 13 v.
Chr. in Rom
(Abb. 28)
. Wie beim Wagen
sind es auch beim Altar symmetrische
Akanthusranken, die großen zentralen
Blattkelchen entwachsen, weit hervorschie-
ßen und sich bis zu kleinsten Ringen mehr-
fach kreisförmig einrollen. Dabei werden
sie von Früchten, Blüten und kleinen Blät-
tern begleitet.
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Die Ranken schmücken
den Wagen, der einer „Landes-Göttin“ ge-
nügen soll. Sie bereiten auch die heraldi-
schen Zeichen der Welfenherzöge auf der
Wagenvorderseite vor. Sie betten sie kraft-
voll ein, gleichsam als Symbol des Wachs-
tums jener Herrschaft.
Sicherlich war der Sachse Rietschel mit
den Feinheiten der braunschweigischen He-
raldik nicht vertraut, deren Symbole er aber
in den Wagenzierrat einbeziehen wollte, um
diesen für Brunonia angemessen zu gestal-
ten. Er fragte am 6. Januar 1856 bei Carl
Schiller in einem Brief an, ob er „das [her-
zogliche] Wappen vorn“ anbringen solle.
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Das wurde offenbar bejaht. So findet man
auf dem Wagenscheitel – gleichsam hervor-
tretend aus dem Kelch der Akanthus­
ranken – das springende Pferd aus dem
Großen herzoglichen Wappen, umgeben
von einem Rundschild
(Abb. 23)
. Darüber
thront die Herzogskrone, die das Herzog-
tum bzw. die monarchische Staatsform
symbolisiert. Damit ist der Wagen Träger
der zwei wichtigsten heraldischen Herr-
schaftszeichen der Welfen. Die Einfügung
des Wappenpferdes in einen Rundschild
mutet dagegen wieder ganz klassizistisch,
römisch an, als sei der Schild ein steinernes
Relief eines Triumphbogens
(Abb. 16)
, zu-
mal ihn auch ein Lorbeerkranz des Apollon
umgibt. Rietschel schuf im Januar 1856 aus
allgemeinen Elementen der Antike und aus
besonderen Herzogsemblemen einen ele-
ganten und braunschweigischen Triumph-
wagen, den der Wappenkundige gewiss zu
deuten verstand.
Rietschels Unsicherheit bei der Ausstattung
der Brunonia des Tischmodells
Bei der Gestaltung der kleinen Brunonia
beschritt Rietschel ebenso wie beim
Triumphwagen Neuland, da eine allegori-
sche Figur dieses Namens bis dato unbe-
kannt war. Seine anfängliche Unsicherheit
war groß, gerade im Blick auf die hohe sym-
bolische Bedeutung der Figur. Aus den lan-
ge zurück liegenden Vorgaben Ottmers
▲ ▲
Abb. 27:
Ernst Rietschel,
Kinderfries mit Wagen­
rennen für das Galerie­
gebäude am Dresdener
Zwinger, getönter Gips,
1853, Dresden,
Skulpturensammlung.
Abb. 28:
Altar Ara Pacis Augustae,
Rankenrelief auf der
Ostseite, 13/9 v. Chr.,
Rom, Reprograf ie.