Seite 21 - Raabe_inspiriert

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Katharina Cechakova
Der Gesang der Anna Kleefeldt
Ein leise gesungenes Lied drang wohlklingend hin-
ter der schmalen Holztür hervor, welche aufgrund
der offenen Fenster im Durchzug sanft hin und her
wippte.
Bei näherem Hinhören erkannte Sven, dass es
sich dabei um „La-Le-Lu“ handelte – diesem Kin-
derlied, das Babys beim Einschlafen helfen sollte.
Sven machte zögernd einige Schritte auf die Tür
zu, die sich dank des Windes nicht entscheiden
konnte, ob sie ihn begrüßen oder vom Geschehen
ausschließen sollte. Der Gesang wurde lauter als er
näher trat. Als Kind hatte er die Melodie gemocht,
auch wenn er dies niemals offen zugeben würde. Sie
war fließend, weich und seine Mutter hatte eine
ganz eigene, aber wunderschöne Art es zu singen.
Aber mit zwölf war es uncool, das Lied zu mögen.
Dennoch mochte er es. Bis zu dem Moment, an
dem seine Mutter es offenbar nur noch sang. Seit
das Baby da war, kam kaum noch anderes aus ihrem
Mund. Den ganzen Tag – auch nachts (Das Baby
schlief noch nicht durch. Sven nun auch nicht
mehr.) „La-Le-Lu“ hier, „La-Le-Lu“ da, „La-Le-Lu“
dort. Vor nicht allzu langer Zeit hatte es ihn beru-
higt, wenn er Angst hatte oder sich um etwas sorgte.
Inzwischen war es zu einer monotonen Tonfolge ge-