36
„Ich mach dir schnell einen Tee, ja?“, erneut strich
sie ihm durchs Haar.
Sobald sie den Raum verlassen und Svens Tür
hinter sich geschlossen hatte, hörte er das metalli-
sche Schreien des Babys aus dem Babyfon dröhnen,
welches seine Mutter stets am Gürtel trug.
Er stöhnte auf und schlug die Decke wieder zu-
rück. Sein nächster Griff ging zu seiner Playstation 2
und der Fernbedienung des Fernsehers. Das konnte
jetzt noch eine Weile dauern.
Daniel mochte seine neue Mutter. Sie war lieb, ku-
schelig und ganz warm. Nicht wie diese blöden Zie-
gen, die sein Vater sonst immer mitgebracht hatte.
Sie hatten sich ausschließlich für seinen Vater inter-
essiert, er war dabei immer das fünfte Rad amWagen
geblieben und hatte sich ganz schlecht gefühlt.
Als er mit fünf seinen ersten schmerzhaften Bein-
bruch gehabt hatte, war sie seine Krankenschwester
gewesen und hatte sich jeden Tag um ihn geküm-
mert, während sein Vater wegen einer seiner vielen
Geschäftsreisen nicht im Krankenhaus sein konnte.
Und Daniels Mutter war kurz nach seiner Geburt
gestorben. Daher wusste er auch nicht, wie eine
„Mama“ sein sollte. Aber im Fernsehen waren sie im-
mer nett und lieb und sahen immer hübsch aus.
Wie Anna.
Sein Vater hatte Anna im Krankenhaus kennenge-
lernt, nachdem Daniel sich zwei Jahre später beim
Fußballspielen wieder das Bein gebrochen hatte.
Und nach einigen absichtlichen Tollpatschigkeiten
seinerseits war Anna jetzt seit fast einem Jahr seine
Mama.