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Sigrid Herrmann
Das Wrack in der Westerschelde
Die Wellen des heraufziehenden Sturms schlugen
hart gegen die Bordwand des Forschungsschiffes der
Universität von Amsterdam und brachten es zum
Schwanken. Noch hatten die heftigsten Böen den
Liegeplatz auf der Reede von Antwerpen in der
Westerschelde nicht erreicht, aber der Orkan sandte
bereits hoch gehende Brecher voraus.
Diego, Unterwasserarchäologe von der Univer
sität Sevilla, klammerte sich mit aller Kraft an die
Leiter, die am Heck des Schiffes hing, als eine ablau-
fende Welle ihn zurück ins Meer ziehen wollte. Er
passte den Moment zwischen zwei Wogen ab und
schwang sich hastig an Deck, bevor die nächste her-
anlaufende Welle ihn gegen die Bordwand schmet-
tern konnte. Sein älterer, pummeliger Taucherkolle-
ge Giovanni aus Rom musste einige Augenblicke
auf einen günstigen Moment warten, ehe er Diego
folgte.
„Es wird Zeit, dass ihr auftaucht, der Sturm hat in
unsere Richtung gedreht“, bemerkte ihr schlanker,
kahlköpfiger Kollege Jan, Historiker an der Hoch-
schule Amsterdam und Leiter des Forscherteams,
besorgt, während er mit einem Seil das Netz mit
den archäologischen Artefakten an Bord hievte, die
die beiden gesammelt hatten.