Seite 53 - Raabe_inspiriert

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Isabel Kobus
Zwischenstadt
Er hatte in einer Wüste, einer Wildnis gelebt und nicht ge-
ahnet, daß es Blumen gebe in der Welt.
(Wilhelm Raabe, „Else von der Tanne“)
Es ist Zeit, den Ort Gottes wieder zu besuchen.
Um fünf Uhr morgens erwacht Thormann auf der
kratzigen Pritsche im West-Heim. Wie schon in den
letzten Nächten sehnt er sich fort von dem Gestank
und Geschnarche. Aber draußen in den Straßen der
Zwischenstadt ist Schlafen gefährlich. So mancher
wacht nicht mehr auf. Oder nur kurz, wenn das
Messer zwischen die Rippen dringt und der Schmerz
den Schlaf fortwischt für einen grässlichen Moment
vor dem Ende.
„Kommst du morgen wieder, Thormann?“, fragt
Steff.
Steff ist ein Glücksfall. Steckt ihm Geld zu. Und
mit ihm kann Thormann über Gott reden. Natür-
lich reden diese Sozialarbeiter öfters von Gott. Aber
Steff hat Gott wirklich gesehen. Er versteht, wonach
Thormann sucht.
„Ich glaub nicht“, sagt Thormann, „ich hab noch
was zu erledigen.“
Steff nickt. „Pass auf dich auf “, sagt er, „du hast
noch meine Nummer.“