Seite 59 - Raabe_inspiriert

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Und dann gab es jemanden, der wichtige Akzente
setzte, damit ich die Stadt aufmerksam wahrnahm,
das war mein Onkel Böhrs. Meine Eltern waren Zu-
gereiste. Onkel Böhrs, der ein Kollege meines Vaters
war und mir ein großväterlicher Freund wurde, war
Magdeburger, er kannte sich aus. Er hatte Freude an
meinen ersten Schreibversuchen, ermutigte mich,
ihm Briefe zu schreiben, die er beantwortete. Auch
an die Ferienorte, wohin meine Eltern mit uns
Schwestern reisten, schickte er mir Briefe, dichtete
sogar. Aus einem langen, poetischen Gedicht ist mir
bis heute noch seine Unterschrift im Gedächtnis,
weil er auch sie in einen Reim gesetzt hatte:
„… Ich sage Dir, also hör´s.
Dein lieber Herr Böhrs.“
Es kam aber auch vor, dass er sich über meinen
mangelnden Schreibfleiß beschwerte: „… Du bist
nun schon in der dritten Woche fort und hast mir
nicht einmal geschrieben. Dir fehlt wohl Zeit und
Geld. Komm bald wieder, ich habe eine Rolle Drops
für Dich…“
Um unseren Schreibverkehr in Schwung zu hal-
ten, schenkte er mir zum Geburtstag Kinderbrief-
papier, später besonders schönes Briefpapier mit
Magdeburger Fotoansichten. Diese Bögen mit Ab-
bildungen vom Dom, dem Marientempel im Adolf-
Mittag-See, dem Pferdetor, dem Bronzelöwen im
Herrenkrug verwendete ich nur in ganz besonderen
Fällen.
Unsere Eltern pflegten mit der Familie Böhrs
freundschaftlichen Kontakt mit gelegentlichen Be-
suchen und seltenen Ausflügen, zu denen meistens