197
Sigrid Schwartz-Diefenbach
Altenbüttel
Mit Block und Kuli sitzt Anne am Fenster. Erst elf
Namen stehen auf ihrer Gästeliste, mehr als zwanzig
sollen es nicht werden, sonst reicht der kleine Raum
ihres Lieblingslokals nicht. Sie will sich den Luxus
gönnen, ihren siebzigsten Geburtstag mit lieben
Menschen und guten Gesprächen zu genießen. Ihr
Mann hat sie gewarnt, die Feier auf wenige Freunde
zu begrenzen, das könnte Ärger mit manchen Be-
kannten geben. Aber jemand begrenzt ihre Zeit, die
will sie nicht mit unnützen Worten vertun. Das Ge-
sicht einer Schulfreundin taucht auf. Helga. Ulla
war die Dritte im Bunde. Beim Notieren der beiden
Namen fällt ihr eine Haarsträhne ins Gesicht. Schon
als Kind hat sie das geärgert, aber Klemmen und
Spangen gingen ständig verloren.
Mit einer Klemme hatte Georg das erste Mal vor
ihr gestanden. Noch nie hatte sie mit ihren knapp
vier Jahren eine solche Haarfarbe gesehen, wie
polierte Kastanien. Bleib, hatten ihre Augen gebe-
ten, die an seinen spitzen Knien unter den kurzen
dunkelblauen Hosen hängen geblieben waren. Er
blickte beiläufig, sah weder sie noch den trüben
Himmel an. Und blieb.
Sie brauchten nie viele Worte. Solange sie denken
konnte, hatte sie sich einen großen Bruder ge-