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Tilman Thiemig
Herr Rippchen hat ein Geheimnis
Allein schon der Name! Immer, wenn ihn Kleine
Omi oder Oma Bumm aussprachen, blickten sie auf
ganz besondere Weise und wirkten ein wenig wie
verzaubert. Nicht nur, weil er ihnen damals ihre
Renten brachte oder schöne Grüße von der Insel
Mainau, aus Bad Wörrishofen, ja gar von der Ri-
viera; nein – unser Briefträger war auch ansonsten
mehr als gern gesehen. Herr Rippchen war eine Ins-
titution, eine Autorität und vor allem, ein Freund
der Familie, dessen Auftritt ganz entscheidend die
Stimmung bei uns Zuhause bestimmte. Und so ver-
hielt er sich; auch wenn es einmal schlechte Nach-
richten waren, die er im Siedlungshäuschen abzuge-
ben hatte – solche vom Finanzamt, von der Bank
oder wenn wieder ein Verwandter, Bekannter, Ver-
trauter aus besseren Zeiten verstorben war.
Herr Rippchen ließ sich oft von den beiden, ja
auch von Mutti auf eine Tasse Bohnenkaffee ins
Haus oder in die Steingrotte bitten; saß auf Plastik-
sommergestühl, der Küchenbank und hörte zu.
Stundenlang. So erschien es mir zumindest. Und
dann dieses Blinzeln mit seinen ganz, ganz hellen
Wimpern, die wie eine Art Insektenfühler von in-
nen den Staub von seiner riesigen Brille wischten.
Größer noch erschien sie mir, als jene von Frau Pup-