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pendoktor Pille, die hin und wieder mit dem Ost-
zonensandmännchen bei uns im Wohnzimmer vor-
beischaute.
Reden, das war Herr Rippchens Sache nicht. Viel-
leicht lag es an seiner hohen Stimme, die, wenn er
denn nicht umhin kam, mal etwas zu sagen, schon
komisch klang. So wie auf einer zu schnell abge-
spielten Märchenplatte und überhaupt nicht wie die
von Vati, Herrn Hoffmann, Herrn Uhlenhaut oder
Herrn Brockmann, unserem Klassenlehrer in den
ersten Jahren.
Herr Brockmann, dem Herr Rippchen ebenfalls
die Post brachte und das zumeist mitten während
der ersten Pause, war es auch, der es als Erster an-
deutete. „Ja, ja, der Rippchen …“ und dabei wandte
er sich zu Frau Degenhardt, die wir in Werken,
Kunst und Sport hatten, „… der hat ja auch ein –
Geheimnis!“
Ich hörte es nur durch Zufall, sollte es bestimmt
nicht hören, denn als sie wahrnahmen, dass ich
ganz gespannt lauschte, wechselten sie schnell das
Thema und sprachen über so spannende Dinge wie
den Klassenausflug zur Okertalsperre. Dabei hätte
ich zu gern erfahren, was es denn mit diesem Ge-
heimnis auf sich hätte.
Ich war neun Jahre alt und es gab damals kaum et-
was anderes, das mich mehr beschäftigte, als Geheim-
nisse. Dass Eintracht Braunschweig ein Jahr zuvor
Deutscher Meister geworden war, ließ mich hingegen
nahezu kalt. Aber Geheimnisse, gleich, ob bei Enid
Blyton, auf der Schatzinsel oder in den Geschichten
von Jules Verne – das war genau mein Fall!