Seite 94 - Raabe_inspiriert

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wurde, fand sich dieses dunkelblaue, an den Ecken
etwas abgewetzte Schreibheft auf dem kleinen Tisch.
Mit deutlichen, spitzen Schriftzügen, sehr sauber,
die wenigen Seiten beschrieben. Ganz so, als ob er
die Worte schon seit Jahren in sich trug – ohne Kor-
rekturen, Ver­besserungen, Ausstreichungen.
Erstes Schlaglicht
Es ist ein Auszug, kein Umzug. Diese Möglichkeit
gibt es nicht mehr, seit der Hund tot ist. Der Hund,
der meine letzte lebende Verbindung war zu allem,
was bereits von mir gegangen ist. Jetzt ist der Hund
tot. Jetzt ist diese letzte Verbindung zur Welt abge-
rissen. Viel Geld hatte ich nicht mehr, das wenige
Geld habe ich für seine Medikamente ausgegeben
und die letzte Operation, die aber auch keine Besse-
rung brachte. Er sollte seinen Tod haben, sich nicht
länger quälen. Quälen müssen wir uns Menschen
schon genug bis zum Tod. Wenn ich durch sein Fell
strich, dann sah ich die Hände von Marie und Marta
durch sein Fell streicheln. Maries schmale Mäd-
chenhand, die im Fell fast verschwand. Und Marta,
wie sie sich mütterlich zu ihm herabbeugte, ihn hin-
ter den Ohren kraulte und den Rücken tätschelte.
Zweites Schlaglicht
Ein Umzug birgt immer auch einen Neustart. Neue
Umgebung, neue Wege. Ich ziehe einfach nur aus.
Und fertig. Wie damals aus der Mühle. Es war ein
erster Schritt weg von unserem Ort. Und Marta
sagte immer, dass Marie danach krank geworden
war. Wir hätten die Mühle nicht verlassen dürfen.