Seite 12 - Schloss_Wolfenbuettel

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I
Geschichte des Fürstentums, der Burg und Stadt Wolfenbüttel
I.1
Die historische Entwicklung des Her-
zogtums Braunschweig und des Fürsten-
tums Braunschweig-Wolfenbüttel
Am Anfang dieser kurzen Landesgeschichte steht
die Belehnung Heinrich des Stolzen (*~1100; 1137-
1139) mit dem Herzogtum Sachsen im Jahr 1137.
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Kaiser Lothar III. von Süpplingenburg (*~1075; Kai-
ser: 1133-1137) verhalf damit dem ersten Welfen
zum sächsischen Herzogsrang.
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Mit dem heutigen
Bundesland Sachsen hat Herzog Heinrichs Herzog-
tum übrigens nichts gemein: es umfasste damals etwa
das Gebiet des heutigen Niedersachsen und weite
Teile Nordrhein-Westfalens. Doch bereits ein Jahr
nach der Belehnung starb Kaiser Lothar, und auch
der stolze Heinrich schloss, eine Menge hochfah-
render Ansprüche und ungeklärter Herrschaftsver-
hältnisse hinterlassend, wenig später seine Augen für
immer. Seinem Sohn Heinrich, „der Löwe“ genannt
(*1129/31-1195; ab 1142 Herzog von Sachsen, ab
1154 Herzog von Bayern; 1180 geächtet), der zum
zweitmächtigsten Mann im Reich aufsteigen sollte,
gelang es jedoch mit eisernem Ehrgeiz und durch
Unterstützung seines Vetters, Kaiser Friedrich I.
„Barbarossa“ (*1122; Kaiser: 1155-1190), alte Erban-
sprüche durchzusetzen und mit den Herzogtümern
Sachsen und Bayern belehnt zu werden.
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Er baute
seine Machtposition mit großer Rücksichtslosigkeit
aus, und sein Einfluss reichte schließlich im Norden
bis nach Dänemark und im Osten bis ins heutige
Mecklenburg-Vorpommern. Die Wende kam im Jahr
1176, als Kaiser Friedrich den Herzog von Sachsen
und Bayern um Militärhilfe beim fünften Italienzug
bat, mit dem die nach Selbstständigkeit strebenden
Norditaliener unterworfen werden sollten.
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Es heißt,
der Löwe habe, sich seiner starken Position bewusst,
als Gegenleistung die durch den Bergbau reich ge-
wordene Stadt Goslar verlangt. Empört soll der Kaiser
abgelehnt haben. Diese Begegnung, die der Legende
nach in dem kleinen norditalienischen Städtchen Chi-
avenna stattgefunden hat, bildet den Scheitelpunkt in
Herzog Heinrichs Karriere: Fortan entzog ihm Barba-
rossa seine Gunst und sein Wohlwollen, und bei den
schwerwiegenden Streitigkeiten mit einer Vielzahl
anderer Reichsfürsten, die sich der Welfe durch seine
aggressive Land- und Machtaneignung zu Feinden
gemacht hatte, fehlte ihm nun die Rückendeckung
seines kaiserlichen Freundes. Der Welfenherzog hat-
te seine Macht überschätzt: Es kam zu einem aufse-
henerregenden Prozess, bei dem er schließlich seine
beiden großen Lehen Bayern und Sachsen verlor und
an den Hof des englischen Königs, seines Schwie-
gervaters, verbannt wurde. Die Rückkehr ins Reich
wurde Heinrich dem Löwen zwar wenige Jahre da-
nach erlaubt, doch konnte der stolze Welfe nurmehr
über
die in seinem persönlichen Besitz befindlichen
Herschaftsrechte verfügen. Erst zwei Generationen
später, im Jahr 1235 kam es zwischen Kaiser und
Welfenhaus wieder zu einem Einvernehmen, das die
Grundlage für eine nun Jahrhunderte überdauernde
Position der Welfen im Gebiet zwischen Nordharz
und Elbe bildete. Kaiser Friedrich II. (*1194; Kaiser:
1220-1250) errichtete das Herzogtum Braunschweig,
das er dem Enkel Heinrichs des Löwen, Otto „dem
Kind“ (*1204; 1235-1255), übertrug, welcher seiner-
seits die welfischen Eigenrechte ins neugegründete
Herzogtum einbrachte.
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In der Zeit vom 13. bis 15. Jahrhundert entstanden
durchmehrere Erbteilungen fünf Fürstentümer: Braun-
schweig-Lüneburg,
Braunschweig-Wolfenbüttel,
Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweig-Göttin-
gen und Braunschweig-Calenberg. Diese „Fürstentü-
mer“ sind übrigens nicht als moderne Flächenstaaten
zu verstehen, sondern als Bündelungen verschiedener
Hoheits- und Besitzrechte, die je nach den Bedürf-
nissen des Welfenhauses aufgeteilt bzw. zusammen-
gelegt wurden. Das Fürstentum Braunschweig-Wol-
fenbüttel, dem hier das Hauptaugenmerk gilt, blickt,
wie die anderen Fürstentümer auch, auf eine verwi-
ckelte Geschichte zurück, die anhand der wichtigs-
ten Eckdaten kurz skizziert werden soll. Zur ersten
Erbteilung kam es 1267/69, als man das Herzogtum
Braunschweig in die Fürstentümer Braunschweig
und Lüneburg aufgliederte.
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Dabei fiel Albrecht „dem
Langen“ (*1236; 1267-1279) Braunschweig (Altes
Haus Braunschweig) zu, sein Bruder Johann (*1242;
1267-1277) erhielt Lüneburg (Altes Haus Lüneburg).
Im Jahr 1292 entstand durch Abtrennung vom
Fürstentum Braunschweig das neue Fürstentum Gru-
benhagen.
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Herzog Heinrich „Mirabilis“ (*1267;
1279-1322), der bis dahin im Fürstentum Braun-
schweig gemeinsam mit seinen Brüdern regiert hat-
te, erhielt Grubenhagen, sein Bruder Albrecht „der
Fette“ (*1268; 1279-1318) Braunschweig und Göt-
tingen. Als das „Alte Haus Lüneburg“ bereits im Jahr
1369 imMannesstamm ausstarb, belehnte Kaiser Karl
IV. (*1316; Kaiser: 1355-1378) die Askanier aus dem
Haus Sachsen-Wittenberg mit diesem Herrschaftsge-
biet. Die Welfen lehnten sich gegen diese Entschei-
dung auf, und es kam zum sogenannten „Lüneburger
Erbfolgekrieg“, der mit dem Sieg der Welfen endete,
die dann im Lüneburger Teil wieder ihre alten Rechte
ausübten.
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Zu einer wichtigen Teilung war es im Jahr 1345
gekommen: Man trennte das Gebiet um Göttingen,
aus dem dann das Fürstentum Braunschweig-Göttin-
gen entstand, von der Braunschweiger Herrschaft.
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Nach dieser Erbteilung war Herzog Magnus I. „der
Fromme“ (*1304; 1345-1369) alleiniger Regent im
Fürstentum Braunschweig, und er machte die Burg
Wolfenbüttel,
auf der sich die Braunschweiger Her-
zöge bis dahin schon häufig aufgehalten hatten, zur
Abb. 3
Ducatus
Brunsuicensis
,
Johann Baptista
Homann (1664-1724),
kolorierter Kupferstich
(Ausschnitt),
18. Jahrhundert;
Museum im Schloss
Wolfenbütel