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IV
Schloss Wolfenbüttel und die Dammfestung
zum Schlosshof aufweist. Auf der linken Seite springt
ein achtachsiger Risalit um eine Fensterachse her-
vor. Im Inneren des Erdgeschosses finden sich hier
noch Reste des spätmittelalterlichen Schalenturmes
aus dem Jahr 1471. Die Symmetrie der Fassade wird
zusätzlich durch den sogenannten Hausmannsturm
gestört. Der von einer „welschen Haube“ mit Laterne
gekrönte Bau erhebt sich über der Ecke von Ost- und
Nordflügel (A, B) und überragt das Dach um drei
Stockwerke. Seine Baugestaltung und Dekoration
weist im Gegensatz zum Hochbarock der Schloss-
platzfassaden Stilelemente der Spätrenaissance auf.
Sein heutiges Aussehen geht auf eine Umgestaltung
zurück, die in den Jahren 1613 und 1614 nach einem
Entwurf von Paul Francke vorgenommen wurde.
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Be-
sondere Aufmerksamkeit verdient das filigrane Gitter
aus Schmiedeeisen, welches den vorkragenden Lauf-
gang des Turmes abschließt. Es stammt aus der Zeit
Herzog August Wilhelms. Die Wetterfahne, welche
den Hausmannsturm noch heute bekrönt, war be-
reits im Rahmen von Erneuerungsmaßnahmen nach
den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges in der
Regierungszeit Herzog August „des Jüngeren“ ent-
standen. Die vier barocken Zifferblätter der Turmuhr,
welche in die aus dem 17. Jahrhundert stammenden
Dachädikulen eingefügt wurden, stammen dagegen
aus dem Jahr 1715, als man die barocke Fassaden-
verblendung errichtete.
Als Pendant zum hoch aufragenden Haus-
mannsturm fungierte der mächtige quadratische Zen-
tralbau der Schlosskapelle (F), der ebenfalls von einer
„welschen Haube“ mit doppelter Laterne überhöht
wurde. Er stellte bis zu seinem Abriss im Jahre 1796
das optische Gleichgewicht der Fassadengestaltung
des Haupt- und Eingangsflügels sicher.
Um die Ost- und Nordfassade des Schlosses
schließt sich der Schlossgraben, der vom Wasser der
Oker gespeist wird. Er erhielt zwischen 1716 und
1720 eine steinerne Brüstungseinfassung, welche auf
der Eingangsseite mit reichdekorierten Vasen und Fi-
guren geschmückt wird.
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Auf der zum Eingangspor-
tal führenden Brücke über den Schlossgraben, die in
regelmäßigen Abständen mit Steinbänken versehen
ist, wird die Balustrade als geschlossene Brüstung
weitergeführt. Das Motiv der ovalen Öffnungen, wel-
che die Grabenbrüstung schmücken, ist Charles Au-
gustin d’Avilers (1653-1701) „Cours d’architecture“
aus dem Jahr 1691 (deutsche Ausgabe 1696) ent-
lehnt, und die dekorativen Blumenkorb-Reliefs der
Brückenbrüstung gehen auf Kupferstichvorlagen von
Daniel Marot (1661-1752) zurück.
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Die Figuren auf
der Balustrade des Schlossgrabens, auf den Brüstun-
gen der Schlossbrücke, die Putti des Dachbereichs
(„Die Jahreszeiten“ rechts und links der äußeren
Giebel, nicht identifizierte Allegorien flankieren den
Mittelgiebel) und jene des Eingangsportals stammen
von Franz Finck und seiner Werkstatt, welche die al-
legorischen Figuren nach Vorbildern aus Cesare Ri-
pas „Iconologia“ aus dem Jahr 1593 schufen.
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Auch
die mit den Allegorien alternierenden großen Vasen
stammen aus Fincks Werkstatt. Die Entwürfe dieser
Vasen stellen Weiterentwicklungen der Gartenvasen
▲
Abb. 89
Figurenbalustrade der
Schlossgraben-
brüstung
,
Schloss Wolfenbüttel