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V
Die Räume des Schlosses
V.2.1
Die Antichambre
Das erste Gemach in der Raumfolge des älteren
Herzogappartements ist die Antichambre. Bis zum
Schlossbrand 1918 betrat man den Raum vom Ess-
gemach, dem heutigen Venussaal, durch eine nicht
mehr vorhandene Doppelflügeltür am südlichen
Ende der Ostwand. An ihrer Stelle hängt nun das Rei-
terbild, das Herzog Ferdinand Albrecht I. zeigt. Der
heutige Zugang erfolgt durch eine Geheimtür vom
ehemaligen Garde- oder Trabantensaal aus. Diese
Tapetentür wurde von den fürstlichen Wachen und
der Dienerschaft benutzt, um unbemerkt in das Vor-
zimmer zu gelangen.
Der tiefrechteckige Raum ist etwas größer als das
benachbarte Audienzzimmer. Licht fiel durch drei in
die Nordwand eingelassene Fenster. Als um 1714/15
der Nordwestflügel (C) des Schlosses mit einer Fassa-
de aus Fachwerk verkleidet wurde, kam die nördlich
angrenzende Galerie hinzu, so dass die Fensteröff-
nungen zu Fenstertüren erweitert werden konnten.
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Am starken Tiefenmaß der Mauern der Eingangs- und
der Fensterseite ist zu erkennen, dass diese Wände
noch aus dem 16. Jahrhundert stammen. Das her-
zogliche Appartement war um 1690 in die ehema-
lige Mühlenstube und Mühlenstubenkammer einge-
baut worden – dazu hatte man (die Außenmauern im
alten Zustand belassend) die beide Säle trennende,
wuchtige Steinmauer entfernt und stattdessen die das
Appartement unterteilenden, leichteren Trennwände
aus Fachwerk eingezogen. Aus dieser Umbauzeit
datieren der Dielenboden, die Stuckdecke von Gi-
acomo Perinetti (1691/92) und die Türrahmen. Da-
gegen stammen die zweiflügeligen Türblätter und
die intarsierten Türgewände aus dem Jahr 1711. Drei
Jahre darauf erneuerte man schließlich den Kamin,
die kassettierten Pfeilervertäfelungen stammen aus
dem Jahr 1720. Die Paneele sind Kopien der in situ
erhaltenen Wandverkleidung des Audienzgemaches,
deren wiederentdeckte zweite Farbfassung aus den
Jahren 1714/16 an dieser Stelle bei der Restaurierung
1998 als Vorlage diente. Das Türblatt der Tapetentür
wurde zwischen 1954 und 1957 aus einem anderen
Schlossraum hier eingefügt.
Die Wände der Antichambre wurden ursprüng-
lich von drei Wirkteppichen geschmückt. Dahinter
verbarg sich eine grüne Damastwandbespannung,
die in den Bezügen der Sitzmöbel und in den Vor-
hängen an Fenstern und Türen wieder aufgegriffen
wurde.
Die Rekonstruktion der Zweitausstattung der An-
tichambre im Zustand der Jahre 1705/10 erfolgte in
Anlehnung an die Ausstattungen anderer Vorzimmer
des Schlosses inWolfenbüttel (nach dem Inventar von
1736)
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und des Lustschlosses Salzdahlum (nach den
Beschreibungen von 1697 und 1710)
3
. Zur beweg-
lichen Ausstattung gehörten demnach in dieser Zeit
Lehnstühle, Canapés, Tabourets sowie ein Ensemble
aus Wandspiegel, Tisch und zwei Guéridons. Spiegel
zählten zu den kostbarsten und damit prestigeträch-
tigsten Einrichtungsgegenständen. Die Anbringung
eines weiteren Spiegels über dem Kamin deutet also
darauf hin, wie sehr man es schon bei der Einrich-
tung der Antichambre darauf anlegte, den Besucher
zu beeindrucken.
In der Antichambre versammelten sich täglich
Hofbeamte, Geheime Räte, ausländische und heimi-
sche Besucher, um auf den Herzog zu warten, der
den Raum mehrfach am Tag durchquerte, wenn er
zum Diner und Souper in den Ess-Saal (Venussaal), in
den Festsaal (Redoutensaal) oder in das Appartement
seiner Gemahlin ging. In die Antichambre wurden
adlige aber auch bürgerliche Besucher vorgelassen,
die hier die Gelegenheit hatten, dem Herzog durch
eine diesem bekannte adlige Person vorgestellt zu
werden oder dem herzoglichen Sekretär eine Bitt-
schrift überreichen zu lassen. Zur Verkürzung der
langen Wartezeiten servierten Pagen Getränke und
kleine Speisen, und man vertrieb sich die Zeit mit
Glückspielen und Pfeiferauchen.
Bei Staatsbesuchen und Visiten ausländischer
Gesandter diente die Antichambre darüber hinaus
als intimer Speiseraum und wurde beim abendlichen
„Appartement halten“ als kombiniertes Spiel- und
Essgemach genutzt. Anlässlich der Geburtstage des
Herzogs wurden hier von den Familienangehörigen
und Pagen aber auch Theaterstücke aufgeführt. So
gab man 1701 Jean Baptiste Molières (1622-1673)
„Le medicin malgré lui“ in französischer Sprache.
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Wesentliche Stücke der Ausstattung
nach Inventar
(1736):
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►
Wirkteppiche
►
Spiegel mit versilberten Rahmen
►
Drei viereckige Nussbaumtische
►
Bild der Göttin Flora über dem Kamin
►
Vier Stühle
►
Zwei Armlehnstühle
►
Kaminschirm, eiserner Brandbock
►
Vier grüne Gardinen vor den Fenstertüren
►
Drei kleine vergoldete Lüsterkronen aus Holz
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Abb. 107
Antichambre des
Herzogappartements
,
Schloss Wolfenbüttel