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VII
Die Schlösser des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel
VII
Die Schlösser des Fürstentums
Braunschweig- Wolfenbüttel
In der Zeitspanne zwischen etwa 1570 und 1840
ließen die Braunschweiger Welfen nicht weniger
als 40 Schlösser im Fürstentum errichten. Zum Ei-
nen benötigte man für die apanagierten Prinzen (die
sich ebenfalls Herzöge nannten) der oft zahlreichen
Nachkommenschaft der Herzöge geeignete Unter-
bringungsmöglichkeiten – sofern sie nicht eine Mi-
litärkarriere im Ausland einschlugen, ein geistliches
Amt übernahmen oder schlicht am Wolfenbütteler
Hof blieben. Den Prinzessinen blieb in der Regel nur
die Wahl zwischen einer mehr oder weniger vorteil-
haften Heirat und dem damit verbundenen Auszug
aus der väterlichen Residenz, oder dem Eintritt in ein
Geistliches Stift oder Kloster. Zum anderen kam es
nicht selten vor, dass eine Herzogin, die nach dem
Tod ihres Gemahls die Staatsappartements im Schloss
räumte, eines standesgemäßen Witwensitzes bedurf-
te. Die meisten Schlossneubauten entstanden jedoch
als Sommersitze, Jagdschlösschen und Lustschlösser.
Ein Kapitel ist eigens dem sagenhaften Salzdahlumer
Lustschloss gewidmet. Daneben legte man um die-
se „Maisons de Plaisance“ – aber auch unabhängig
davon – eine Reihe von größtenteils nicht mehr er-
haltenen, unterschiedlich aufwendig gestalteten Gär-
ten und Gartenanlagen an, die dem Bedürfnis nach
einer gezähmten, mit Hilfe von Gartenkünstlern, In-
genieuren und Gärtnern raffiniert gestalteten „Kunst-
landschaft“ unter freiem Himmel, für die innerhalb
der Stadtmauern kein Raum war, Rechnung trugen.
Von der Mehrzahl der vielen Gebäude, von denen
hier nur die herausragendsten genannt werden, hat
sich jede Spur verloren. Einerseits errichtete man die
Lusthäuser, Witwensitze und Jagdschlösser aus Kos-
ten- und Zeitgründen oft aus Fachwerk, was ihrer
Lebensdauer von vornherein überschaubare Gren-
zen setzte. Andererseits spielten die Entwicklung der
Baustile und -moden und die Nutzungsgewohnhei-
ten eine wichtige Rolle. So wurden etliche Schlösser
und Schlösschen, als die ursprünglichen Nutzer ver-
storben waren, oder als sich der Unterhalt der ohne-
hin unmodern gewordenen Bausubstanz als zu kost-
spielig erwies, entweder dem Verfall preisgegeben
oder veräußert. Anschauliches Beispiel hierfür ist das
Schicksal des Wolfenbütteler Schlosses selbst: Gegen
Ende des 18. Jahrhundert verkauften die Herzöge, die
inzwischen in Braunschweig residierten, Teile ihres
alten Stammschlosses, um die ökonomischen Belas-
tungen, die sich mit seinem Erhalt verbanden, zu ver-
ringern.
Die Durchführung dieser Schlossbauten, aber
natürlich auch anderer Bauvorhaben im Fürstentum,
die im Auftrag der Herzöge entstanden (Befestigungs-
anlagen,
Speicher, Administrationsgebäude usw.),
oblag der fürstlichen Bauverwaltung, die seit dem 16.
Jahrhundert der Kanzlei bzw. der Kammer unterstand.
Der Bauverwalter an der Spitze hatte die Logistik,
Planung und Beaufsichtigung der jeweiligen Projekte
zu organisieren. Bauentwürfe lieferten sowohl eigens
beauftragte externe Baumeister als auch der Bauver-
walter selbst. Ihm standen mehrere Bauschreiber zur
Seite, und ab 1644 lassen sich auch Bauvögte nach-
weisen.
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Aus der Regierungszeit Herzog Julius’ sind
drei Bauverwalter namentlich überliefert: Von 1581
bis 1615 hatte man Paul Francke (1537/38-1615)
mit dieser Aufgabe betraut, parallel engagierte man
Philipp Müller (1557-1609), der das Amt zwischen
1582 und 1609 versah. Zwischen 1588 und 1589
bestallte man außerdem Hans Vredemann de Vries
(1527-1606).
2
Im Jahr 1689 entschloss man sich zu einer Um-
strukturierung der Bauverwaltung. Dabei entstand ein
straff organisiertes Bauamt, das in dieser Form bis ins
Jahr 1769 bestehen sollte. Die Leitung wurde einem
Landbaumeister übertragen, der für die Bauentwürfe
zuständig war. Ihm unterstand ein Bauvogt, der die
Bauten und Bauarbeiter vor Ort zu überwachen hat-
te. Die ihm unterstellten Bauschreiber bildeten ihrer-
seits das Bindeglied zur fürstlichen Kammerbehörde.
Als ersten Landbaumeister bestallte man 1689 den
seit 1687 an der Ritterakademie tätigen Mathematik-
professor Johann Balthasar Lauterbach (1663-1694),
der bis zu seinem Tod im Amt blieb.
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Als Bauvogt
unterstellte man ihm Hermann Korb (1656-1735),
einen gelernten Tischler.
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Herzog Anton Ulrich war
dem außerordentlich befähigten Korb offenbar sehr
gewogen. Um ihn zum Landbaumeister befördern zu
können ohne den ebenfalls hoch geschätzten Lauter-
bach entlassen zu müssen, kreierte der erfindungsrei-
che Herzog ein neues Amt. 1691 avancierte Johann
Balthasar Lauterbach zum Oberlandbaumeister.
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Doch wider Erwarten ernannte man Korb, der nach
Lauterbachs frühem Tod im Jahr 1694 die provisori-
sche Leitung des Bauamtes übernommen hatte, nicht
zum Landbaumeister, sondern beließ ihn weiterhin
im Bauvogtamt.
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Als treibende Kraft bei der Verhin-
derung von Korbs Beförderung kann Lauterbachs
Nachfolger als Mathematikprofessor, Leonhard Chris-
toph Sturm (1669-1719), gesehen werden. Sturm, ein
exzellenter Bautheoretiker, hielt den Quereinsteiger
und Handwerker Korb für inkompetent und wollte
selbst Landbaumeister werden. Möglicherweise ge-
lang es dem streitbaren Pietisten einige Jahre lang,
Korbs Aufstieg durch sein besonders gutes Verhältnis
zu Herzog Rudolf August, dem älteren der beiden re-
gierenden Herzöge, zu hintertreiben. Erst als Sturm
1702 Wolfenbüttel verlassen hatte und nachdem
Herzog Rudolf August verstorben war, wurde Her-
mann Korb 1704 schließlich zum Landbaumeister
ernannt.
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Das Amt als „Baumeister“ versah Korb, wie
Abb. 202
Schloss Salzdahlum
von der Hofseite (von
Osten),
Romeyn de Hooghe
(1645-1708), Ra-
dierung, um 1694;
Museum im Schloss
Wolfenbüttel