STADT WOLFSBURG
licher Gemeinschaft lebte. Zunächst zu einer Gefängnis-
strafe von fünfzehn Monaten verurteilt, wurde er nach der
Strafverbüßung in das KZ Buchenwald deportiert. Im Juli
1941 fiel der staatenlose Jude einer Mordaktion in der
„Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein“ zum Opfer. Sein
weiterhin in Ehmen lebender Sohn war als so genannter
Mischling einer rassistisch diskriminierenden Behandlung
ausgesetzt. Auch insoweit bildeten die lokalen Verhältnisse
das Spiegelbild einer Ausgrenzungsgesellschaft, in der
Antisemitismus, Rassismus und Verfolgung auch in den
kleinen Orten wirksam waren.
Insgesamt stand die Entwicklung still. Nachdem der
Bau des Mittellandkanals und der Autobahnbau eine vor-
übergehende wirtschaftliche Belebung ausgelöst hatten,
sanken beispielsweise in Fallersleben die Einwohnerzahlen
zwischen 1933 und 1937 von 2.313 wieder auf 2.064 Per-
sonen. Sieht man einmal vom Kleinsiedlungsbau ab, der in
Vorsfelde 1937 „Vor dem Bruch“ zu insgesamt sieben Häu-
serneubauten führte, ging der nationalsozialistische Auf-
bruch an der Region einstweilen vorbei.
Dies änderte sich erst, als am 28. Mai 1937 in Berlin
von zwei Wirtschaftsunternehmen der „Deutschen Arbeits-
front“ die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen
Volkswagens mbH“ gegründet wurde, die östlich von Fal-
lersleben am Mittellandkanal ihr „Hauptwerk“ errichten
wollte. Dies setzte unvermittelt eine Entwicklung in Gang,
die in der zuvor ländlich strukturierten Region eine neue
Industrieagglomeration etablierte. Der geplanten moderns-
ten Automobilfabrik der Welt, die für die Serienfertigung
des von Ferdinand Porsche nach 1934 konstruierten
„Volkswagen“ vorgesehen war, sollte nach dem Willen der
NS-Führung komplementär eine Musterstadt zur Seite ge-
stellt werden. Beide symbolisierten die sozialutopische Vi-
sion des Nationalsozialismus: Eine am amerikanischen
Vorbild orientierte Massenmotorisierung hatte die Kon-
sumdemokratisierung zum Ziel, während die an Garten-
stadtkonzepten orientierte und eine wachsende Automobi-
lität antizipierende Stadtsiedlung die Aussöhnung von In-
dustriearbeit und „gesundem“ Leben verhieß. Entsprechend
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