STADT WOLFSBURG
als „Russenfriedhof“ diskriminierte sowjetische Begräbnis-
platz in den Nachkriegsjahren in Vergessenheit. Der
„Käfer“ wurde im Kontext des Wirtschaftswunders ideolo-
gisiert, Porsche als unpolitischer Erfinder und Konstrukteur
verehrt. Ergebnis dieser Mythen- und Legendenbildung
waren eine weitgehende Ausblendung der NS-Gewaltherr-
schaft aus dem öffentlichen Bewusstsein und geringe
Kenntnisse der Wolfsburgerinnen und Wolfsburger über
die lokalen Geschehnisse.
Erstmalig seit Ende der 60er Jahre richteten friedenspo-
litische Gruppen in regelmäßigen Gedenkveranstaltungen
das Augenmerk auf den „authentischen Ort des Leidens“.
Die vereinzelten Aktivitäten der Friedensinitiativen
sowie diverse Pflegeaktionen der DGB-Jugendgruppen, die
immerhin 1970/1973 die Umgestaltung der Begräbnisstätte
und die Anbringung einer Gedenktafel forcierten, konnten
jedoch noch keine Erinnerungswende bewirken. Das Ge-
denken behielt vorerst marginale öffentliche Präsenz. Seit
Ende der 60er Jahre wurde die für die Begräbnisstätte in
der NS- und Nachkriegszeit übliche diskriminierende Be-
zeichnung „Russenfriedhof“ durch den verharmlosenden
Namen „Ausländerfriedhof“ ersetzt, da der damalige Stadt-
archivar Dr. Bernhard Gericke in den Gräberlisten auch
Tote westlicher Nationalitäten entdeckt, dabei aber überse-
hen hatte, dass es sich um KZ-Häftlinge gehandelt hat.
Die Zäsur der 80er Jahre
Erst im zeitlichen Umfeld einer bundesweiten Erinnerungs-
konjunktur Anfang der 80er Jahre, als aufklärende Bil-
dungsarbeit, das Medienereignis „Holocaust“, eine neue
Geschichtsbewegung, Gedenkstätteninitiativen, kulturpoli-
tische Diskussionen und geschichtspolitische Kontroversen
hohe Wellen schlugen, setzte auch vor Ort eine Entwick-
lung ein, die zur intensiven Auseinandersetzung mit der
NS-Vergangenheit führte. Wiederholte neonazistische Vor-
kommnisse, insbesondere Schändungen des Ausländer-
friedhofes ließen zudem das Aufflammen rechtsradikaler
Strömungen befürchten.
168