Seite 37 - Voigtlaender+Sohn

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Firmenstrategie demonstrierte sie offenkundig den Ehrgeiz des neuen
Inhabers, einerseits die Tradition des Hauses Voigtländer fortzuführen,
andererseits dabei unübersehbare eigene Akzente zu setzen. In der Tat
rührte sich im Unternehmen, wie Moritz v. Rohr in der Retrospektive
hervorhob, nach dem Tod Peter Wilhelm Friedrich v. Voigtländers
„offenkundig neues Leben“.
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Um die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, wurden ab
1877 in einem bisher unbekannten Ausmaß Investitionen durchgeführt.
Neben die hohen Abschreibungen, die bis 1884 auf das Fabrikinventar
wie Arbeitsgeräte usw. vorgenommen wurden, trat zum ersten Mal
nach 1862 eine rege bauliche Erweiterung der Firma hinzu.
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1877
wurde der Mittelflügel des Werksgebäudes aufgestockt, 1883 und 1888
folgten weitere Erweiterungsbauten und der Ausbau der Nebengebäu-
de.
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Abgesehen von einer Verpfändung von Teilen des umfangreichen
Grundstücks im Jahr 1876 zur Aufnahme einer Darlehensschuld in
Höhe von 180 000 Mark, die 1877 bereits zum Teil erlassen werden
konnte, war Friedrich v. Voigtländer bemüht, die Investitionen aus eige-
nen Mitteln zu finanzieren.
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Nachdem bereits 1876 ein Teil des
Grundstücks an den braunschweigischen Kaufmann Tunica verkauft
worden war, wurde 1881 nach zweijährigen Verhandlungen die Immo-
bilie an der Wolfenbütteler Str. 1 mit Ausnahme des Teils mit dem
Fabrikgebäude an den ebenfalls in Braunschweig ansässigen Kaufmann
Rimpau veräußert.
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Im Bereich der Produktpolitik wurden noch zu Lebzeiten Peter Wil-
helm Friedrich v. Voigtländers erfolgreich Versuche unternommen, um
das Renommee von Voigtländer & Sohn zu steigern und die Wettbe-
werbsfähigkeit des Unternehmens auf eine neue Basis zu stellen.
Im Todesjahr Peter Wilhelm Friedrich v. Voigtländers stellte die
Braunschweiger Firma mit dem Euryskop ein neues Objektiv vor, das in
den folgenden Jahren in unterschiedlichen Ausführungen zum Schwer-
punkt der Produktion im Bereich der photographischen Optik werden
sollte. Die ersten Euryskope zeichneten sich durch eine große Tiefe und
Schärfe in Verbindung mit einer außerordentlichen Lichtstärke aus und
eigneten sich vornehmlich zur Aufnahme von Gruppen, Landschaften
und Reproduktionen. Nachdem sie auf dem Profimarkt, aber auch auf
dem langsam wachsenden Amateurmarkt gut aufgenommen worden
waren, versuchte Friedrich v. Voigtländer, die Leistungsfähigkeit der
Objektive hinsichtlich der Lichtstärke weiter zu steigern, so daß sie ab
1883 – im Zusammenhang mit der Verbreitung der lichtempfindliche-
ren Trockenplatte – auch für Einzel-Porträts im photographischen Ate-
lier Verwendung finden konnten.
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