Seite 36 - Voigtlaender+Sohn

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Konstellation Hans Sommer – Friedrich v. Voigtländer weist starke
Parallelen zu dem bekannten Verhältnis zwischen Joseph Petzval und
Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer auf. Beide nutzten die Fähigkeiten
der Mathematiker aus, ohne den Wert wissenschaftlicher Arbeit für das
Geschäft im vollen Ausmaß fruchtbar zu machen, indem sie die Wissen-
schaftler fest an die Firma banden.
Der Versuch, das Verhalten Friedrich v. Voigtländers zu erklären,
muß vor allem zwei Faktoren berücksichtigen: Dies ist zum einen der
bereits bei dem Codicil zum Testament seines Vaters deutlich gewordene
Wunsch, alleiniger Besitzer und uneingeschränkter Herr des Betriebes
zu sein; zum zweiten scheint Friedrich in der Anfangsphase seiner Tätig-
keit als Leiter der optischen Werkstätte der Versuchung erlegen zu sein,
einen Führungsstil zu praktizieren, der vor allem durch Härte Autorität
verschaffen sollte. Friedrich war, wie sich sein Bruder Robert später
erinnerte, „der Herr“.
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Der neue Stil war allerdings nicht typisch für
die weitere Entwicklung. Trotzdem sei hier am Rande vermerkt, daß er
dazu führte, daß sich der alte, von Peter Wilhelm Friedrich v. Voigtlän-
der in seinem Testament berücksichtigte Werkmeister Carl Böhmke
dazu entschloß, seiner Arbeitsstätte den Rücken zu kehren, um eine bis
ca. 1900 bestehende eigene kleine Firma aufzumachen.
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Die Erfahrungen an der Hochschule und im familiären Bereich tru-
gen dazu bei, daß Sommer endgültig seine Talente als Mathematiker
und Optiker ruhen ließ und sich seinen zweiten Begabung, der Musik,
zuwandte. Nachdem er 1884 eine frühzeitige Pensionierung durchge-
setzt hatte, wurde er Musiker und Komponist, trat aber gelegentlich
auch als Schriftsteller in Erscheinung. Sein musikalisches Werk umfaßt
zahlreiche Opern, Lieder und Balladen. Musikkritiker lobten vor allem
die Übertragung der Kompositionstechniken Richard Wagners auf das
Liedgut. Darüber hinaus gehörte Sommer zu den treibenden Kräften in
der Frage des musikalischen Urheberrechts. 1898 gründete er mit
Richard Strauß und Friedrich Rösch die Genossenschaft deutscher
Komponisten, aus der 1903 die Genossenschaft deutscher Tonsetzer
hervorging. Sommer starb am 26. April 1922 in Braunschweig.
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Zwischen Tradition und Innovation
Ein genauer Blick auf die Vorgänge in der braunschweigischen Firma
läßt insgesamt die Schlußfolgerung zu, von einer Übergangsphase in der
Firmenentwicklung zwischen Mitte der 1870er Jahre und dem Anfang
der 1880er Jahre auszugehen. Trotz beachtlicher Kontinuitäten in der
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