Seite 47 - Voigtlaender+Sohn

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zwar ihr Produktprogramm durch die Aufnahme von Modellen wie
dem Triple-Anastigmat und der Major- und Minor-Objektiv-Serie im
mittleren und gehobenen Qualitätssegment arrondiert, die Kundschaft
verlangte aber in der Regel stärker die höherwertigen Artikel der opti-
schen Anstalt.
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Die Frage, ob eine konsequente Sortimentsvertiefung
in bislang traditionell unberücksichtigte Bereiche sinnvoll sei, mußten
sich Aufsichtsrat und Vorstand von Voigtländer & Sohn nicht stellen.
Allerdings mußte das Unternehmen bereits kurz nach der Jahrhun-
dertwende die schmerzliche Erfahrung machen, daß durch den wach-
senden Wettbewerbsdruck die Macht der Händler gegenüber den Fabri-
kanten gestärkt wurde. Noch im Geschäftsbericht für das Jahr 1900
zeigte sich Voigtländer & Sohn nicht bereit, durch Preisabschläge eine
Abnahmestimulation hervorzurufen:
„Trotzdem haben wir an dem
bewährten Grundsatze, unseren Wettbewerb allein auf die Güte und
Zuverlässigkeit unserer Erzeugnisse zu stützen, nicht aber auf stets
wachsende Preisnachlässe, festgehalten.“
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Bereits zwei Jahre später
hatte sich diese Politik als unhaltbar erwiesen, wie die Gesellschaft in
einem Bericht über das Geschäftsjahr 1902 zugeben mußte:
„Die Kon-
kurrenz hat die Anstalt in vielen Fällen in die Notwendigkeit versetzt,
zu billigen Preisen abzugeben, wenn sie nicht überhaupt die Fühlung
mit verschiedenen grösseren Häusern verlieren wollte.“
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Die Preisent-
wicklung innerhalb der Branche übte auch in den folgenden Jahren
einen ungünstigen Einfluß auf die Gewinnsituation der optischen
Anstalt aus, zumal unter den Konkurrenzbedingungen eine Erhöhung
der Verkaufspreise nicht zu realisieren war, gleichzeitig jedoch die
Kosten für Löhne, Gehälter und Rohmaterialien anstiegen.
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Werbung
Die Werbung als verkaufsfördernde Maßnahme gewann nach der
Umwandlung in eine Aktiengesellschaft weitaus stärkeres Gewicht als in
der Ära, die Friedrich v. Voigtländer als alleiniger Besitzer der Firma
geprägt hatte. Sein Verhältnis zur „Reklame“ blieb, wie sich Franz Fiese-
ler in einem Nachruf auf Friedrich v. Voigtländer im Jahr 1924 erinnerte,
aufgrund seines Verständnisses von der Mechanik und Optik als
„Kunst“ gespalten:
„Für Reklame hatte er nicht viel übrig, für Propa-
ganda wenig Verständnis. Er für seine Person hat es auch immer ver-
schmäht, mit den üblichen Mitteln der Reklame für seine Erzeugnisse zu
werben. Daß es ohne sie im Geschäftsbetriebe nicht mehr geht, war ihm
fast schmerzlich; dazu schätzte er eben die Feinmechanik und Optik viel
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