Seite 17 - Westphalenzeit

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um diese Forderung zu erfüllen. Am 24. November 1806 wurden alle
Landeseinwohner aufgefordert, ihr Kapital zu 4% Zinsen auf landschaft­
liche Obligationen abzugeben. Der Finanzminister des Königreichs West­
phalen, von Bülow, unternahm nach seiner Berufung am 8. Mai 1808 den
Versuch, die Abzahlung der riesigen Schuldenlast zu ermöglichen und die
Staatseinnahmen zu konsolidieren. Er schlug den Ständen vor, die gesamten
Provinzialschulden in eine Reichsschuld umzuwandeln, wobei die dafür
anfallenden Zinsen durch eine Staatsanleihe von 20 Millionen Livres und
eine temporäre Kopfsteuer auszugleichen wäre. Die Anleihe im Ausland
misslang, und es musste nun eine Zwangsanleihe gemacht werden, was er
durch eine moderate Steuergesetzgebung mildern wollte. Am 14. Oktober
1810 vereinnahmte das Königreich Westphalen die Reste des Kurfürsten-
tums Hannover, zugleich aber auch dessen gesamten finanziellen Schulden.
Napoleon behielt zur Dotation seiner Beamten zudem 4.559.000 Frances mit
einer zehnjährigen Steuerfreiheit ein. Zudem musste Jérôme sechs
Dotationen mit 145.000 Frances Revenuen ihren Besitzern aushändigen und
die einbehaltenen Gelder am 22. April 1808 in Höhe von 292.000 Frances
an sie nachzahlen.
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Die Kassen in Kassel waren leer, die Beamten
mussten oftmals monatelang auf ihr Gehalt warten und der Sold für die
eigenen Truppen konnte nicht ausgezahlt werden. Hinzu kam, dass auch die
im Königreich stationierten französischen Truppen seit 1810 mit jähr­lich
15 Millionen Frances unterstützt werden mussten. Jérôme zweigte sich aus
den öffentlichen Einkünften jährlich rund 500.000 Frances, von den
Abgaben der Lehnsinhaber rund 400.000 Frances, von den Schlössern und
Krondomänen rund 600.000 Frances und von den beschlagnahmten Gütern
des Deutschen Ordens rund 400.000 Frances ab.
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Am 20. September 1809
schrieb Jérôme an seinen Bruder Napoleon:
„Die Not im ganzen Königreich
ist, da niemand bezahlt werden kann, auf einen solchen Punkt gestiegen,
dass, wenn ew(er) Majestät mir nicht zu Hülfe kommen, es nicht zwei
Monate mehr so fort gehen kann. Trotz aller Sorgfalt, die ich meiner
­Verwaltung zuwende, glaube ich nicht, dass es möglich ist, sie noch längere
Zeit aufrecht zu erhalten. Ich bitte ew(er) Majestät, mir zu gestatten, dass ich
mich nach Frankreich zurückziehe.“
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Da die erste Staatsanleihe nicht den
erhofften Erfolg gebracht hatte, wurden weitere ausgeschrieben. Als von
Bülow 1811 nach Paris reiste, um mit Napoleon die das Königreich Westphalen
strangulierende Kriegsschuld zu regulieren, konnten seine Gegner in Kassel
ihn zu Fall bringen. Als er am 7. April 1811 zurückkam, wurde er entlassen
und Karl August Freiherr von Malchus zum Finanzminister ernannt.