Seite 30 - Westphalenzeit

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Volkes, aber die ungünstige Lage
verdeutlichte sich auch. Der Weg
führte an Antoinettenruh vorbei,
endlich auch an Richmond. Je
näher der Herzog seiner geliebten
Vaterstadt kam, je lauter der Jubel
erscholl, mit dem ihn das treue
Volk empfing, desto mahnender
ergriff ihn die Gefahr, der es ent-
gegen ging. Nur kluge Besonnen-
heit konnte das Verderben
vom treuen Volke abwenden.
Umwogte ihn auch die die
lauteste Freude seiner Untertanen
und sah er in jedem Augenblick,
dass die erregte Menge glaubte,
er werde bei ihnen bleiben, nein, es war ihm längst klar, dass er in der
Landeshauptstadt nur kurze Zeit verweilen konnte. (Abb. 1)
Seitdem, dass sich Österreich dem Kaiser Napoleon ergeben hatte und nun
er, Herzog Friedrich Wilhelm, ohne Hilfe anderer Mächte allein kämpfte,
hatte er die Hoffnung auf Deutschlands Befreiung zum jetzigen Zeitpunkt
aufgegeben. Was konnte er jetzt seinem Volke bringen. Jeder Aufstand gegen
die „Westphälinger“ würde alsbald von jenen mit blutiger Strenge nieder-
geschlagen werden. Alle Opfer wären vergeblich und großes Elend würde
über die kommen, die ihn so sehr liebten. Er wollte nicht ein kurzes Glück
für sich selber haben und anschließend seine Landeskinder dem Unglück
überlassen. Er musste da kalt erscheinen, wo ihn das Herz von heißesten
Gefühlen überströmte. Denn er wusste, wie leicht es auch wäre einen Auf-
stand der Braunschweiger Bevölkerung herbeizuführen, gegen die Über-
macht der Westphälinger konnte er nicht auf Dauer bestehen. So gebot seine
als Staatsklugheit bezeichnete Weitsicht, dass nichts an Verpflegung usw. –
was er und seine Schwarze Schar benötigten – als Geschenk anzunehmen
war, sondern für alles und jedes wurde eine schriftliche Anforderung,
Anordnung oder Beschlagnahmeverfügung ausgefertigt.
Etwa gegen 22.00 Uhr traf der Herzog mit seiner Schwarzen Schar beim
Braunschweiger Augusttor ein. Der weitaus größte Teil zog jedoch um die
Abb. 1: Herzog Friedrich Wilhelm.