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Wehrmachtzeichnungen und Wehrmachtanweisungen, während des Krieges zunehmend
nach Weisungen der auf Reichsebene installierten Ausschüsse und Hauptausschüsse
erfolgte. Im Unterschied zur Rüstungsindustrie zählten zur kriegswichtigen Industrie
„außer den vielseitigen Unter- und Vorlieferanten der Rüstungsindustrie (...) vor allem
die Rohstoff erzeugende und verarbeitende Produktion und der Energiebedarf“. Zur
lebenswichtigen Industrie, der die Versorgung der Zivilbevölkerung und der Wehrmacht
oblag, ist vor allem die Lebensmittelindustrie zu rechnen, die im Land Braunschweig
besonders durch die für die Region charakteristischen zahlreichen Konservenfabriken
vertreten ist
13
. Bereits kurz nach Kriegsausbruch subsumierten sich für die Zeitgenossen
die Rüstungsbetriebe und die kriegs- und lebenswichtigen Betriebe unter den Begriff
„Kriegswirtschaft“
14
. Die duale Ausrichtung
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der reichsdeutschen Wirtschaft umfasste
zivile Unternehmen und Rüstungsbetriebe, wobei der Generalbevollmächtigte für die
Wirtschaft bzw. der Wehrwirtschaftsstab des Oberkommandos der Wehrmacht als höchste
Instanzen verantwortlich zeichneten. Kriegs- und lebenswichtige Unternehmen wurden
durch die Industrie- und Handelskammern (als ausführendes Organ der Landes-
wirtschaftsämter) betreut, die Rüstungsindustrie auf regionaler Ebene hingegen durch die
Rüstungskommandos (als Unterstufe der auf Wehrkreisebene installierten Wehrwirt-
schafts- und späteren Rüstungsinspektionen). Das Rüstungskommando Braunschweig,
dessen Dienststelle sich im Divisionsstabsgebäude in Braunschweig (Wörth-, heute
Schillstraße) befand, überwachte den Fertigungsablauf in den Rüstungsbetrieben und
organisierte durch Zusammenarbeit mit den zuständigen Zuteilungsstellen die Beschaf-
fung von Arbeitskräften, Maschinen und Betriebsmitteln wie Energie, Kohle und Treib-
stoff. Das erhaltene Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Braunschweig, das in den
nachfolgenden Ausführungen als wichtige Quelle immer wieder herangezogen wird, lässt
ungeachtet einer offenkundig engen behördlichen Perspektive interessante Einblicke in
die braunschweigische Rüstungsindustrie während des Zweiten Weltkriegs zu.
Arbeitskräftemangel
Zunächst ist zu fragen, unter welchen Bedingungen braunschweigische Unternehmer
Rüstungsaufträge während der Kriegszeit zu erledigen hatten, welche eventuellen Hand-
lungsspielräume ihnen verblieben oder zunehmend eingeschränkt wurden. Das aus der
Friedenszeit den Unternehmern bereits vielfach bekannte Problem des Mangels an qua-
lifizierten Mitarbeitern gewann wegen der zahlreichen Einberufungen bereits kurz nach
Kriegsausbruch an Bedeutung. Dies sollte sich im Laufe der Kriegsjahre zu einem der
Hauptprobleme der Rüstungsindustrie (wie übrigens der gesamten Wirtschaft) aus-
wachsen, das letztlich auch nicht durch den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte gelöst
werden konnte. Das Rüstungskommando Braunschweig hatte im März 1940 festzustel-
len, dass bereits seit Kriegsbeginn ein „sehr erheblicher Mangel an Arbeitskräften (Fach-
arbeiter, angelernte Arbeiter, ungelernte Arbeiter und Frauen)“ vorhanden sei. Es sei
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Kap. 2.5.
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BA/MA Freiburg RW 21-8 / 1: KTB 26.10.1939 (künftig RW 21-8 / ... KTB...)
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Nachfolgende Ausführungen nach Roland
Peter
, Rüstungspolitik in Baden. Kriegswirtschaft und Arbeits-
einsatz in einer Grenzregion im Zweiten Weltkrieg. München 1995, S. 19. – Diese Dualität schließt aber bei
der Organisation von Zwangsarbeit eine selbstverständliche Zusammenarbeit z. B. der Industrie- und Han-
delskammern mit den Rüstungskommandos, den Arbeitsämtern und der Gestapo nicht aus.