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Treppenhaus war ausschließlich den Besuchern der Berufsberatung (im ersten Stock-
werk) und der Verwaltung (im zweiten Stockwerk) vorbehalten. Die Darstellung der
Arbeit auf Medaillons und in bunten Glasfenstern der repräsentativen vorderen Gebäu-
deseite bezog sich auf eine vorindustrielle handwerklich geprägte Idylle, in den Fenstern
zusätzlich durch erzieherische Sinnsprüche kommentiert.
Alfred Gerber selbst beschrieb im Frühjahr 1941 im Auftrag des Reichsarbeits-
ministeriums das Funktionieren dieses vor Beginn des Zweiten Weltkrieges geplanten
Gebäudes
11
. Ihm war es wichtig, dass es von außen nicht als Arbeitsamt zu erkennen
war. Deutlich wird noch einmal, dass Gerber das Arbeitsamt nicht als Dienstleistungs-
behörde für Arbeitssuchende sah.
Um das Gebäude nicht schon von aussen durch die
Ansammlung von Besuchern auf der Straße als Arbeitsamt zu kennzeichnen, wird der grösse-
re Publikumsverkehr von der Hofseite in das Gebäude geleitet. Durch die Anlage von grossen
Grünflächen um das Gebäude herum ist die Aufstellung von Fahrrädern an dem Gebäude
selbst unmöglich geworden, während auf dem [rückseitigen – d. Verf.] Hof ausreichend Gele-
genheit zur Aufstellung von Fahrrädern geboten ist.
Denn:
Es ist der Grundgedanke verfolgt
worden, grösseren (sic!) Publikumsverkehr nicht unnütz in die einzelnen Geschosse des
Gebäudes zu leiten, sondern Massenabfertigung im Erdgeschoss oder im Kellergeschoss vor-
zunehmen.
Immerhin bewährte sich der für die Versorgung vor dem Krieg gedachte
Gebäudegrundriss auch bei der Abfertigung von Zehntausenden von Zwangsarbeitern in
der braunschweigischen Kriegswirtschaft. So konnte Gerber 1941 feststellen:
Wenn auch
bei der heutigen Arbeitseinsatzlage massenhaftes Auftreten von Arbeitsuchenden nicht mehr
infrage kommt, so bedingt doch z.B. die Abfertigung von Transporten starke Ansammlung von
Menschen. Dieselbe spielt sich nunmehr reibungslos in den im Erdgeschoss vorgesehenen
genannten Räumen ab.
Der „reibungslosen“ Organisation des Arbeitseinsatzes dienten auch die neuen räum-
lichen Möglichkeiten.
Erstmalig in der Verwaltung von Arbeitsämtern wurde auch der Gedan-
ke verwirklicht, die zuständige Arbeitsbuchabteilung gleich neben die in Betracht kommende
Vermittlungsstelle zu legen
und damit unnötige Wege und zusätzlichen Aktentransport zu
vermeiden
12
. Über die Arbeitsbuchkarteien hatte das Arbeitsamt Zugang zu den Persona-
lien, Angaben zur Berufsausbildung, zu besonderen Fertigkeiten sowie zu Beschäftigungs-
verhältnissen und Zeiten der Arbeitslosigkeit. 1939 wurden beim Arbeitsamt Braun-
schweig ca. 180.000 Arbeitsbücher verwaltet. Mit dem modernen technischen Hilfsmittel
der Karteiführung und entsprechend geschulten Mitarbeitern wurden zunächst die abhän-
gig Beschäftigten, ab 1939 auch Beamte und Selbstständige inventarisiert und in Karteien
nach verschiedenen Kriterien geordnet. Auf diese Weise konnten Mitarbeiter durch schnel-
len und flexiblen Zugriff rasch Informationen einholen über einzelne Personen oder ganze
Gruppen und sie dann dem jeweiligen Anforderungsprofil von Arbeitsplätzen zuordnen.
Auswertungen der Karteien durch die moderne Statistikabteilung des Amtes ließen sich als
Planungsgrundlage verwenden. Die auf diese Weise gesammelten Erfahrungen bei der
Organisation und Verteilung von Arbeitskräften vor allem über den „Reichsausgleich“
kamen dem Braunschweiger Arbeitsamt sicherlich auch im Krieg zugute.
11
Zitate hier und im Folgenden 8 R Zg. 35/2000 Nr. 41: Alfred Gerber, Begründung der Notwendigkeit des
Neubaus für das Arbeitsamt Braunschweig. Anlage zum Schreiben an Grabe (Reichsbauamt Braunschweig)
vom 16.4.1941, S. 2 f.
12
Hier und im Folgenden einschließlich der Zitate: BLZ-BNN (wie Anm. 8).