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Eine Überprüfung bestätigte diesen Sachverhalt. Es kann ebenfalls davon ausgegangen
werden, dass es bei der Zuordnung von Herkunftsländern zu Geburtsorten zu Fehlern
gekommen ist. Dies geschah vor allem, weil in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
und vor allem während des Zweiten Weltkrieges in Osteuropa beständig Grenzverände-
rungen stattgefunden haben. Die Einteilung in Ostarbeiter
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, – also Russen, Weißrussen
und Ukrainer –, und Polen auf den Meldekarten wurde bei der Nachbearbeitung über-
prüft. Bei der Auswertung der Stichprobe nach Herkunftsländern wurden die Kriterien
großzügig gewählt. Auch bei Geburtsdaten scheint es zu Verschreibungen gekommen zu
sein. Die Eintragung ‚29.2.1926’ als Zeitpunkt der Geburt kann nicht stimmen, da 1926
kein Schaltjahr war. Es ist davon auszugehen, dass Tag und Monat eher verschrieben
wurden als das Jahr. Für die Untersuchung sind jedoch allein die Geburtsjahre aus-
schlaggebend.
In erheblichem Umfang ist es jedoch bei der Namensschreibung zu mehr oder weni-
ger bedeutsamen Verschreibungen gekommen. Insbesondere sind davon Personen aus
Ländern mit kyrillischer Schrift betroffen. Für Entschädigungsfragen ist die genaue
Schreibweise von großer Bedeutung, für die hier vorliegende Untersuchung jedoch irre-
levant. Für die Güte der Quelle spricht zudem die Stimmigkeit in den Details. So wer-
den die 1941 aus der MIAG wieder ausgegründeten Lutherwerke erst 1942 als Arbeit-
geber genannt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die festgestellten Störungen der Kartei so
gering sind, dass sie keinen Einfluss auf die Validität der 5 %-Stichprobe haben. Die
Ergebnisse können als unverzerrt betrachtet werden.
Mitgliedschaft bei Kranken- und anderen Sozialversicherungsträgern
Formal waren die Ausländer deutschen Arbeitern gleichgestellt. Grundsätzlich waren
alle krankenversichert
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. Ostarbeiter bildeten eine Ausnahme. Sie genossen zunächst nur
einen geringen Kranken-‚Versorgungsschutz’, bekamen ab August 1942 einen verbesser-
ten Versorgungsschutz und konnten erst ab April 1944 den üblichen ‚Krankenversiche-
rungsschutz’ in Anspruch nehmen. Ausländische Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen wie
auch ihre Arbeitgeber zahlten also Beiträge an Krankenversicherungsträger. Bei längerer
Krankheit galt Lohnfortzahlung für alle ausländischen Arbeiter außer Polen und Ostar-
beiter. Letztere wurden bei Krankheit nur untergebracht und verpflegt. In jedem Falle
erhielten die Arbeitgeber direkt oder indirekt Leistungen von der Krankenkasse, sei es,
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Zur näheren Definition vgl. Vorwort; für die Erfassung von Polen und Sowjetbürgern erwies sich die mut-
tersprachliche Kompetenz von Frau Ewa Schmid und ihre Kenntnis der russischen Sprache als ausgespro-
chen vorteilhaft. Dadurch konnten bereits bei der Aufnahme Zuordnungen von Orten zu Herkunftsländern
überprüft werden. Die für eine muttersprachliche Deutsche zu erwartende höhere Quote an Übertragungs-
fehlern gerade bei slawischen Ortsnamen konnte somit vermieden werden.
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Hier und im Folgenden grundlegend Mark
Spoerer
, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische
Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945. Stutt-
gart/München 2001, S. 139 ff. , S. 151 ff., S. 160 ff. und die dortigen Hinweise auf das Reichsarbeitsblatt und
die Runderlasse der Arbeits-, Reichstreuhänder- und Gewerbeaufsichtsverwaltung sowie Merkblatt der Lan-
desversicherungsanstalt Braunschweig über die Invalidenversicherungspflicht der Polen, Russen und Aus-
länder, August 1942, mit handschriftlichen Ergänzungen. Kopie übergeben von Herrn Joachim Bormann,
ehemaliger Mitarbeiter der Landesversicherungsanstalt.