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dass Kassen die Fortzahlung der Löhne übernahmen oder die Unterbringungs- und Ver-
pflegungskosten für Polen und Ostarbeiter. Eine möglichst rasche An- und Abmeldung
ausländischer Arbeiter lag also durchaus auch im Eigeninteresse der Arbeitgeber. In der
Regel waren die Familienangehörigen der ausländischen Zivilarbeiter bei den Kranken-
kassen mitversichert. Davon ausgenommen waren diejenigen, die in den besetzten Ost-
gebieten, Bulgarien, Serbien und Griechenland lebten. Die Angehörigen von Polen und
Ostarbeitern konnten in ihrer Heimat nur unter bestimmten Bedingungen Unterstützung
im Krankheitsfalle erhalten. Alle im Reich beschäftigten Ausländer waren ebenfalls
grundsätzlich invaliden- bzw. rentenversicherungspflichtig. Davon ausgenommen waren
Ostarbeiter. Für Polen in der Landwirtschaft zahlten zunächst nur die Arbeitgeber einen
Betrag, erst ab 1.1.1943 zahlten auch die polnischen Zivilarbeiter ihren Anteil. Erst im
März 1945 wurden Ostarbeiter sozialversicherungsmäßig den anderen Ausländern
gleichgestellt. Ohne Ausnahme zahlten alle in die Arbeitslosenversicherung ein, den
‚Reichsstock für Arbeitseinsatz’.
Im Übrigen wurden alle ausländischen Zivilarbeiter zur Lohnsteuer und bis zu ihrer
Abschaffung 1942 auch zur Bürgersteuer veranlagt. Verheiratete Dänen, Slowaken,
Ungarn und Protektoratsangehörige (Tschechen), deren Familien in der Heimat lebten,
wurden im Herkunftsland veranlagt. Vom Lohn gingen ebenfalls Zwangsbeiträge ab für
die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront, die generell für sozialpolitische Belange
in den Betrieben aber auch für die Betreuung von Ausländern in vielen Lagern zustän-
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war. Außerdem galt es, Abgaben für das Winterhilfswerk und das „Eiserne Sparen“
abzuführen.
Daneben gab es diverse Sondersteuern für ausländische Arbeiter, so vor allem für
Ostarbeiter die so genannte Ostarbeiterabgabe, ab April 1944 statt dessen die auch für
Polen geltende Sozialausgleichsabgabe. Dies bedeutete eine Anhebung des Lohnniveaus
der polnischen Arbeiter. Vor allem Ostarbeiter, die mit den ersten Transporten in das
Deutsche Reich gekommen waren, erhielten unter Umständen am Monatsende wegen
zahlreicher Abzüge keinen Pfennig Lohn.
Nicht als zu versichernde Arbeiter eingestuft wurden die beiden anderen Gruppen
unter den Zwangsarbeitern, die Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge. Verträge über ihren
Arbeitseinsatz wurden mit der Wehrmacht bzw. der SS abgeschlossen. Kriegsgefangene
wurden erst mit ihrer Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft invalidenversicherungs-
pflichtig.
Die Behandlung kranker Ausländer sollte, mit Ausnahme der Polen und Ostarbeiter,
nicht schlechter als bei Deutschen sein. Dies war eine Kann-Bestimmung. In der Praxis
hing die Güte der Behandlung sehr vom Ermessen der jeweiligen Krankenkasse ab. So
galt auch für die Krankenkassen ausländischen Zivilarbeitern gegenüber das Prinzip,
Leistungen eher zurückzuhalten. Zwar war auch bei Deutschen und vor allem bei deut-
schen Frauen die Verletzung der ‚Arbeitsdisziplin’ u.a. in Form von Krankfeiern ein gro-
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Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz übertrug diese Aufgaben im Mai 1942 ausdrücklich der
Deutschen Arbeitsfront. Vgl. Walter
Naasner
, Neue Machtzentren in der deutschen Kriegswirtschaft 1942-
1945. Die Wirtschaftsorganisation der SS, das Amt des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und
das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition/Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion
im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Boppard a. Rhein 1994. (Schriften des Bundesarchivs 45),
S. 40/41.