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ßes Problem. Deshalb wurde hier bereits streng darauf geachtet, dass es keine unnötigen
Arbeitsausfälle gab. Aus den Unterlagen des Landesarbeitsamtes Niedersachsen
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geht
jedoch hervor, dass die Überwachung der Arbeitsleistung ausländischer Arbeitskräfte
wesentlich schärfer war. Bei der für die arbeitsrechtlichen Bedingungen zuständigen
Arbeitsverwaltung wurde das Thema Krankheit von ‚Fremdarbeitern’ im Rahmen des
allgemeinen Themas ‚Krankenstand in den Betrieben. Erhaltung der Arbeitsdisziplin’
bearbeitet. Meldete sich ein ‚Fremdarbeiter’ krank, so stand ohne nähere Betrachtung
zunächst der Verdacht der Arbeitsbummelei im Raum.
Damals wie heute konnten Leistungen von Krankenkassen erst nach einer Krank-
schreibung oder der Ausstellung eines Rezeptes in Anspruch genommen werden. Dafür
waren zunächst frei praktizierende Ärzte, für die Lagerinsassen später auch so genannte
‚Lager-Revierärzte’ zuständig. Mit ihrer Diagnose entschieden sie darüber, ob körper-
liches Unwohlsein oder physische Beschwerden als Krankheit einzustufen waren oder
nicht. Mit zunehmender Kriegsdauer hatten sie die Aufgabe, den allgemeinen Kranken-
stand niedrig zu halten. Im Spannungsfeld zwischen der verordneten „Ressourcen-
erschließung“ und der professionell geforderten „humanitären Hilfe“ verrichteten Ärzte
ihre Arbeit
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. So hatte die Einrichtung von Revierstuben in den Wohnlägern offensicht-
lich einen deutlichen Rückgang des Krankenstandes zur Folge.
Die Betriebe wussten des
Morgens nicht, was mit diesen Arbeitskräften los war und mussten z.T. noch Aufsichtsperso-
nen stellen, die diese Kranken in die Sprechstunden der verschiedenen Ärzte führten und erst
nach stundenlangem Warten in die Betriebe zurückkehrten. Seit gut einem halben Jahre
erscheint jeden Morgen 7 Uhr der Revier (Lager-) Arzt sowohl im Männerlager als auch im
Frauenlager und untersucht sofort die Erkrankten. Bei Feststellung der Arbeitsfähigkeit haben
die Ausländer sofort ihre Arbeit aufzunehmen, sodass (sic!) spätestens um
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/
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8 Uhr die
Arbeitsfähigen an ihren Arbeitsplätzen sind. Durch diese Massnahme hat sich der Kranken-
stand der Ausländer so erheblich gebessert, dass des Morgens fast keine Krankmeldungen
mehr erfolgen. ... Die Sprechstunden der Ärzte werden durch diese Massnahme auch für die
deutsche Bevölkerung freigehalten.
In den größeren Betrieben gab es im Allgemeinen
Betriebsärzte. So wurden die in einem Bereitschaftslager einer Fabrik in Clausthal unter-
gebrachten
Ausländer (vor allem Franzosen und Ostarbeiter) ... ausschließlich von dem
Betriebsarzt behandelt. Für die deutschen Gfm. [Gefolgschaftsmitglieder – d. Verf.], die in den
Bereitschaftslagern untergebracht sind, ist die freie Arztwahl ausserhalb (sic!) der Arbeitsstun-
den erhalten geblieben.
Betriebsärzte hat es in allen größeren Betrieben gegeben, so u.a.
in den größeren Betrieben in Stadt und Landkreis Goslar, in der Helmstedter Margari-
nefabrik Richard Held, der Spinnerei Ludwig Hampe in Helmstedt, der Heeres-Muni-
tionsanstalt in Grasleben sowie der AG für Bergbau und Hüttenbedarf Salzgitter, Abtei-
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Hier und die folgenden Zitate HStA Hann. 275 (Landesarbeitsamt Niedersachsen) Nr. 257, Arbeitsamt
Watenstedt an den Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Südhannover-Braun-
schweig, den Krankenstand in den Betrieben betreffend, 27.4.1943:
Von allen Betrieben wird darüber geklagt,
dass insbesondere auch die weiblichen Gefolgschaftsmitglieder jedes persönliche Unwohlsein, oder leichte Erkältung
zum Anlass nehmen, um für einen oder mehrere Tage die Arbeit zu versäumen.
Zur medizinischen Versorgung
und ärztlichen Betreuung vgl. hier und im Folgenden auch Andreas
Heusler
, Ausländereinsatz. Zwangs-
arbeit für die Münchner Kriegswirtschaft 1939-1945. München 1996, S. 344 ff. und
Spoerer
(wie Anm. 7),
S. 138 ff.
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Vgl. Sabine
Fahrenbach
, Achim
Thon
(Hg.), Der Arzt als „Gesundheitsführer“. Ärztliches Wirken zwi-
schen Ressourcenerschließung und humanitärer Hilfe im Zweiten Weltkrieg. Frankfurt a.M. 1991.