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von Hinterachsen für Lastkraftwagen eingesetzt
52
. Die meisten Häftlinge führten einfa-
che Arbeiten an den durch zivile Facharbeiter eingerichteten Werkzeugmaschinen aus,
die anderen verrichteten Ordnungs- und Transportarbeiten. Manche von ihnen waren
imstande, schon nach der kurzen Anlernzeit die Maschinen selbst einzurichten
53
.
Die Fabrikleitung setzte alles daran, die Arbeitseffektivität der SS-Häftlinge zu stei-
gern. In Absprache mit der SS wurden spezielle Leistungsprämien eingeführt. Es han-
delte sich dabei um Gutscheine im Wert von 0,50 RM
54
. Diese Gutscheine wurden von
den Meistern als Lohn für effektive Arbeit verteilt und konnten von den Häftlingen
gegen Zigaretten, Salzgurken und Rote Beete eingelöst werden. In der Fabrik bewährte
sich dieses Prämiensystem nicht, weil die zum Eintauschen vorgesehenen Produkte von
den Kapos gestohlen wurden
55
. In der Fabrik in Vechelde legte man für die Häftlinge
Akkordzeiten fest, die kürzer als Akkordzeiten für die deutschen Zivilarbeiter waren. An
den Maschinen wurden Schilder mit der zu bearbeitenden Stückzahl von Metallelemen-
ten angebracht.
Der Produktionsdirektor prüfte persönlich, ob die vorgegebenen Stückzahlen gefer-
tigt wurden und interessierte sich
ausschließlich für diese Schilder
56
. Für Generaldirektor
Egger war nur
das Antreiben der Häftlinge
57
maßgebend.
Die Häftlinge wurden nicht nur zur schnelleren Arbeit angetrieben; unter der deut-
schen Belegschaft gab es auch Arbeiter, die die Häftlinge körperlich und seelisch miss-
handelten: Ein kranker Häftling, der sich an dem in der Halle stehenden Elektroofen kurz
erwärmen wollte, wurde von einem deutschen Arbeiter geschlagen, der in ähnlicher Situ-
ation einen anderen Häftling schlug und mit Füßen trat
58
. Unter den deutschen Arbeitern
gab es aber auch Menschen, die die Häftlinge menschlich behandelten und ihnen auf ver-
schiedene Weise halfen, indem sie z.B. für kranke Häftlinge besonders anstrengende kör-
perliche Arbeiten selbst ausführten und ihnen Medikamente und Lebensmittel brachten.
Sie sprachen die Häftlinge auch mit normaler Stimme und nicht brüllend an
59
.
Ein Teil der Häftlinge besaß als Arbeitskleidung die in Auschwitz erhaltenen gestreif-
ten Häftlingsanzüge. Der andere Teil trug die ebenfalls in Auschwitz ausgehändigten zivi-
len Anzüge, in die ein Stück aus gestreiftem Stoff eingenäht war. Da die Arbeit in der
Fabrik schmutzig war, sah die Häftlingskleidung dementsprechend aus: die gestreifte
Kleidung war nach kurzer Zeit mit so dicker Schicht Schmieröl bedeckt, dass man die
Streifen nicht mehr sehen konnte. Die Häftlinge bekamen keine Kleidung zum Wech-
seln, in derselben Kleidung sind sie zur Arbeit gegangen und haben dann geschlafen. Ihr
Schuhwerk war in einem sehr schlechten Zustand
60
.
52
Die Aussage von Oberingenieur Heinrich Kamrad 1946, in: WF Nr. 445.
53
Mordechaj Folman, vgl. Anm. 14; Karol Fuks, vgl. Anm. 18.
54
Der ehemalige Häftling Eliezer Zyskind hat dem Autor einen originalen Gutschein mit dem Stempel „Prä-
mienschein über RM. -,50. Konzentrationslager Neuengamme“ und mit dem Stempelaufdruck „Prämien-
konto K.L. Neuengamme“ übergeben. Dem Aufdruck am unteren Rand des Prämienscheins ist zu entneh-
men, dass er im August 1944 gedruckt wurde, die Auflage betrug 500.000 Stück.
55
Albert Esch, vgl. Anm. 50.
56
Aussage des Drehers Karl Dünkler im Dezember 1945, in: WF Nr. 445.
57
Aussage des Brigadeleiters Willi Bartels, in: WF Nr. 445.
58
Benno Fränkel, vgl. Anm. 46.
59
Ihre Namen sind bekannt, es waren Hermann Fricke (Brigadeleiter von M. Folman), Albert Esch (Meister
von B. Olomucki), Weber (Meister von I. Huberman), Reinhold Hammer (Meister von K. Fuks) und Wil-
helm Basse (Meister von B. Fränkel).
60
Karl Dünkler, vgl. Anm. 56.