Seite 48 - Zwangsarbeit

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kehr und dem Einfluss, den die Erlebnisse der Kriegsjahre auf ihr weiteres Leben gehabt
hatten. Trotz ihres hohen Alters und ihres oftmals nicht mehr sehr guten Gesundheits-
zustands antworteten viele der Angeschriebenen; ein gewisser Prozentsatz der Frage-
bögen kam mit dem Vermerk zurück, der Empfänger sei verstorben. Insgesamt 180 Ant-
worten trafen ein, 170 aus Polen und 10 aus der Ukraine. Die jüngste ehemalige Zwangs-
arbeiterin war eine bei ihrer Verschleppung 4 Jahre alte Polin aus Rywaldzik, die mit
ihrer ganzen Familie zur Landarbeit in Eilum eingesetzt war; der älteste polnische
Zwangsarbeiter ein damals 39-Jähriger aus Kazimierz Biskupi, der als Schuster in Lich-
tenberg arbeiten musste.
Als Tatsachendokumentationen sind die Zeitzeugenaussagen jedoch nicht zu verste-
hen. In diesen persönlichen Erinnerungsberichten verschmelzen die Erfahrungen und
Deutungen aus verschiedenen Zeitebenen miteinander und bilden ein nachträglich
gestaltetes lebensgeschichtliches Konstrukt
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. Diese Berichte sind vielmehr eine jeweils
individuelle Sicht auf Ereignisse vor mehr als 60 Jahren, die nach Jahrzehnten, häufig
zum ersten Mal durch die Antworten auf den Fragebögen oder durch eigene zusätzliche
Texte gegenüber Dritten formuliert wurden.
In die Braunschweigische Region verschleppt – polnische Zwangsarbeiter in der
ersten Kriegsphase
Kriegsgefangene
Noch im Herbst des Jahres 1939 brachten die deutschen Behörden etwa 300.000 pol-
nische Kriegsgefangene über Durchgangslager ins Reichsgebiet zum Arbeitseinsatz. Im
darauffolgenden Jahr wurden dann auf Befehl Hitlers die meisten Gefangenen ‚entlassen’
und als Zivilarbeiter den Arbeitsämtern überstellt – eine Statusänderung, durchaus nicht
zu ihrem Vorteil
4
.
Zwei ehemalige polnische Soldaten, die gleich zu Beginn des Krieges in deutsche
Gefangenschaft gerieten, erinnern sich:
Ich kam ins Lager Altengrabow bei Magdeburg, das
war ein Übergangslager. Die polnischen Kriegsgefangenen wurden hier zwei bis drei Wochen
untergebracht. Schon in dieser Zeit wurden wir zu verschiedenen Arbeiten eingesetzt. Wir
wohnten im Pferdestall. In der Nacht wurde die Tür abgeschlossen, am Tag durften wir raus.
Zu essen bekamen wir täglich nur
1
/
2
Liter Suppe aus Sauerkraut. Die Menschen litten hier
Hunger, suchten sogar im Gras nach Eßbarem, aßen Pflanzenwurzeln. Wir waren alle sehr
erschöpft und konnten uns kaum noch auf den Beinen halten. Menschen starben vor Hunger.
Einmal warf ein deutscher Wachmann eine Scheibe Brot unter die Gefangenen auf den Boden.
Die fingen sofort an, um dieses Brot zu kämpfen und bissen sich dabei teilweise in die Finger.
Der Wachmann amüsierte sich darüber und machte Fotos. Aus diesem Lager wurde ich dann
zur Landarbeit nach Wolfenbüttel gebracht
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.
3
Katharina
Hoffmann
, Schichten der Erinnerung. Zwangsarbeitserfahrungen und Oral History. In: Zwangs-
arbeit in Deutschland 1939-1945. Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien.
Hg. v. Wilfried
Reininghaus
und Norbert
Reimann
. Bielefeld 2001, S. 62 – 75, hier S. 62.
4
Mark
Spoerer
, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und
Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945. Stuttgart, München 2001, S. 45. Grund-
legend auch Ulrich
Herbert
, Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegs-
wirtschaft des Dritten Reiches. Berlin, Neuaufl. Bonn 1999.
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Josef Koryluk, geb. 10.3.1911 in Hucicko Brodzkie (Polen).