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höchst anständiger Kerl, stets liebenswürdig zu uns Pagen, nie hoffärtig
und hinterhältig wie andere Prinzen des Welfenhauses. Man schickte ihn
also an den Zarenhof in St. Petersburg.‘
‚Ja, ja!‘ erinnerte sich Ferdinand. ‚Mein Vater Hieronymus war damals Kanz-
ler unter Herzog Ludwig Rudolf – –‘
‚– – und der hielt große Stücke auf seinen Ersten Minister! Dein Herr Papa
war mein Patenonkel, hatte mich nach Wolfenbüttel geholt und 1737 meine
Verwendung als Prinz Antons Page in Russland abgesegnet. Einige Jahre
darauf muss er gestorben sein, noch vor der Zarin Anna und ehe die
schrecklichen Dinge in Russland ihren Lauf nahmen.‘
‚Gewiss! Vater starb 1740 in Amt und Würden. Er war tatkräftig und redlich,
konnte aber auch rücksichtslos offen sein – und vertrauensselig!‘ Ferdi-
nands Miene verdüsterte sich: ‚Was ihn am Ende sein ganzes Vermögen
kostete – und damit mich mein Erbe!‘
‚Kaum zu glauben!‘ wunderte sich Karl Friedrich. ‚Ich wusste davon nichts.
Die Ereignisse in Russland überschlugen sich und Nachrichten aus der Hei-
mat drangen nie bis zu mir vor.‘
‚Vaters Pechsträhne begann viel früher – unter August Wilhelm, dem erst-
geborenen, aber unfähigen Sohn des 1714 verstorbenen Anton Ulrich. Der
neue Herzog hatte nicht das Zeug zu herrschen. Wohl aber – sagen wir es
vorsichtig – eine Schwäche für hübsche Knaben. Schon als Erbprinz war
sein wohlgefälliges Auge auf einen Pagen namens Konrad Detlev Dehn ge-
fallen, dem darauf hin eine glänzende Karriere sicher war.
Vater diente seit 1716 als Berghauptmann und Kammerpräsident in Blan-
kenburg August Wilhelms jüngerem Bruder Ludwig Rudolf. Einige Jahre
darauf kehrte er nach Wolfenbüttel zurück. Er wurde dort Kammerpräsi-
dent. 1727 geriet er ins Zwielicht. August Wilhelm entließ ihn fristlos, strich
ihm seine Bezüge.‘
‚Was war geschehen? Wie konnte man das einer ebenso tüchtigen wie eh-
renwerten Persönlichkeit antun?‘
‚Eben des Herzogs Vorliebe für diesen Dehn wegen,‘ sagte Ferdinand von
Münchhausen gequält, ‚von August Wilhelms sinnloser Verschwendungs-
sucht ganz zu schweigen! Mehrfach hatte Vater als Kammerpräsident an
höchster Stelle seinen Einfluss geltend gemacht, war der Vergeudung von
Staatsgeldern schonungslos entgegen getreten. In der Verwaltung führte er
eine strenge Ordnung ein. Ob er seinem Fürsten unter vier Augen Prunk-
sucht und Prasserei zum Vorwurf gemacht hatte – was Vater später mir ge-
genüber behauptete – ist nicht erwiesen. Aber da war etwas anderes, was
August Wilhelm gar nicht schmeckte. In privaten Briefen an einen Freund,
den ihm unterstellten Berghauptmann Thomas Rudolf von Campen, hatte
Vater sich über das Verhältnis des Herzogs zu seinem Günstling Dehn aus-
gelassen. Als Vorgesetzter hatte er später einen dienstlichen Anlass, von