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Campen zu rügen. Dieser rächte sich, indem er die fraglichen Schreiben ver-
öffentlichte. Vater wurde des Hochverrats bezichtigt. Zu Schulden kommen
lassen hatte er sich gar nichts. Nur protestiert gegen Dehns Ernennung zum
Contrasignateur!‘
‚Was – zum Teufel – hat es damit auf sich?‘
‚Dem Inhaber dieses verantwortungsvollen Amtes sind alle Schriftsätze der
Ministerien vorzulegen, der sie gegenzeichnet und – was er für wichtig er-
achtet – dem Herrscher unterbreitet. Vater befürchtete, dass Dehn auf die-
sem Posten Einblick in die staatlichen Einnahmen bekäme und sie seinem
herzoglichen Gönner zum Verjubeln überließ. Durch seinen Widerspruch
machte er sich Dehn zum Feind. August Wilhelm nahm die erste sich
bietende Gelegenheit wahr, den unbequemen Kritiker seines – Du weißt
schon – zu stürzen und zu demütigen. Vater gelang es gerade noch, nach
Blankenburg auszuweichen. In einer gedruckten Ehrenrettung wies er alle
Anschuldigungen zurück. Die Pflichten eines rechtschaffenen Dieners er-
fordern, schrieb er darin wörtlich, dass er seinem Herrn nicht jederzeit
Schmeicheleien, sondern die Wahrheit sagt – –!‘
‚– – schon schlimm genug,‘ wetterte Karl Friedrich, ‚dass sich ein Adeliger
aus uraltem Geschlecht dem durch Geburtsrecht zufällig zum Fürsten erho-
benen Abkömmling einer welfischen Nebenlinie als Diener seines Herrn
ausweisen muss. Manchmal befällt mich ein heiliger Zorn auf alle diese
miesen kleinen Sonnenkönige. Darf sich überhaupt ein Mensch als Gott ge-
bärden? Tun und lassen, als sei der Staat, das ganze Land, sein persönlicher
Besitz? Seine Landeskinder, selbst den Adel, behandeln wie Leibeigene? Die
traditionsreichen Vorrechte der Stände außer Kraft setzen? Ihren Anspruch
auf Mitsprache zurück zu gewinnen, müsste doch eines Tages gelingen. Un-
sere Nachkommen sollten dann durchaus wissen, welchen selbstherrlichen
Gecken und Laffen ihre Vorväter lange Zeit aufgesessen sind.‘
‚Zum Glück hört Dich niemand!‘ warnte Ferdinand, ‚die Dienstmagd ist
schwerhörig und wohl schon zu Bett gegangen. Du hast ja Recht – aber
selbst heute kann man sich mit solchen Redensarten um Kopf und Kragen
bringen. Soll ich Dir zu Ende berichten, was unserer Familie dann geschah?‘
Der Schalk war längst aus Karl Friedrichs Augen gewichen. Seine Miene
hatte sich zusehends verfinstert. Sein Gesicht lief vor Verlegenheit rot an.
‚Verzeih, Vetter, wenn der Groll mit mir durchging! Meine Erfahrungen mit
Fürstlichkeiten jeglicher Couleur waren nun einmal nicht die besten. Aber
fahre doch bitte fort. Wie verhielt sich Herzog Ludwig Rudolf?‘
‚Der war in Blankenburg auch nicht auf Rosen gebettet. Er hasste August
Wilhelm. Außer offener Feindschaft verband die Brüder nichts. Auf seinen
Rat strengte Vater einen Prozess an, verteidigte seine Position vor der Reichs-
ratstube. Das kostete ihn viel Geld. Ohne Einkommen, stürzte er sich in
Schulden. Die übernahm Ludwig Rudolf – aber nicht umsonst. Er gab Vater