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40.000 Reichstaler und ließ sich dafür unseren Besitz überschreiben – das
Gut Linden, direkt vor den Toren Wolfenbüttels. Die Summe entsprach dem
Schätzwert. Wenigstens durfte Vater über das Herrenhaus und die wertvolle
Sammlung von Büchern und Pretiosen bis an sein Lebensende verfügen.
Von allen anderen Besitzungen hatte er sich schon vor 1730 getrennt.‘
Ferdinand machte eine Pause, seufzte und spülte die Erinnerung an bessere
Zeiten mit einem Schluck Wein hinunter.
‚1731 folgte Ludwig Rudolf seinem – nennen wir das Kind beim Namen –
homophilen Bruder als regierender Herzog von Wolfenbüttel und bestellte
Vater zum Kanzler. Er schickte ihn nach Wien, aus der Hand des Kaisers die
Belehnung entgegen zu nehmen, Galakutsche, edle Pferde und livrierte Die-
ner inklusive. Dem Heiligen Römischen Reich diente Vater dann noch zu-
sätzlich als Reichspfennigmeister. Es oblag dem Inhaber dieses Ehrenamtes,
imOber- und Niedersächsischen Kreis die Reichssteuern einzuziehen. Über
unsere angespannte finanzielle Lage machte sich niemand Gedanken. Für
Ludwig Rudolf zählte nur, seine drei Mädchen vorteilhaft unter die Haube
zu bringen. Auf Verschwägerung mit anderen Landesherren legten die Wel-
fen immer großen Wert.‘
Der Gast nickte beifällig.
‚Unter ihren Perücken, den wallenden Locken im Stil des Franzosen Ludwig
XIV. dünkten sie sich über andere Sterbliche erhaben.‘ Karl Friedrich konnte
sich der bissigen Bemerkung nicht enthalten. ‚Zeit und Muße zum Wohl
ihrer Untertanen zu opfern, zeigten sie wenig Lust. Die Erledigung der
Staatsgeschäfte übertrugen sie Männern wie Hieronymus von Münchhau-
sen, die sie schlecht belohnten. Dafür ließen sie sich nichts angelegener sein,
als ihren Töchtern allfällige Thronerben und den Söhnen echte Königstöch
ter an Land zu ziehen.‘
‚Ganz recht! In dichter Folge wurde der mutmaßliche Erbprinz Karl mit
Charlotte von Preußen verheiratet, seine Schwester mit deren Bruder Fried-
rich Wilhelm, dem preußischen Kronprinzen. Die ungeliebten Vettern von
Hannover hatten derlei dynastische Verknotungen mit mächtigen Nachbarn
im Osten ja vorexerziert! Ludwig Rudolf hatte dabei nicht immer eine glück-
liche Hand. Trotz der schmerzlichen Erfahrungen seiner Tochter Elisabeth
Christine in ihrer Ehe mit dem Zarewitsch wurde etliche Jahre später Dein
armer Freund Anton gleichfalls den Romanows in St. Petersburg überant-
wortet. Zarin Anna Iwanowna – eine Nichte Peters I. – sollte ihn sich an-
schauen und zum Gatten für ihre für die Thronfolge vorgesehene Nichte
Anna Leopoldowna, Tochter ihrer mit Herzog Karl Leopold von Mecklen-
burg verheirateten Schwester Katharina, erwählen. Das, obwohl man Anton
wackelige Beine nachsagte, kein Durchsetzungsvermögen. Immerhin brach-
te er es in Russland zum Ehemann einer Regentin, Generalissimus der Ar-
mee und Vater eines Zaren. Bis ihn sein Schicksal ereilte – grausam genug.‘