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Ferdinand füllte Rotwein nach. Beide sprachen dem Rebensaft andächtig zu.
Nach einem guten Schluck setzte Karl Friedrich seinen Becher als erster ab.
‚Womit wir, verehrter Cousin,‘ zog er das Gespräch an sich, ‚wieder bei mei-
ner eigenen Geschichte wären. In Wolfenbüttel hatte ich den Tod von Her-
zog Ludwig Rudolf erlebt, die kurze Herrschaft Ferdinand Albrechts von
Bevern, die Inthronisation seines Sohnes Karl und die Entsendung des drit-
ten Prinzen – Ludwig Ernst – nach St. Petersburg. Im Sinne des jetzt regie-
renden älteren Bruders sollte jener dem jüngeren – Anton – dort unter die
Arme greifen. Verlobt mit der Thronfolgerin musste der sich seine Sporen
zunächst im Krieg gegen die Türken verdienen, wenn auch gleich im Range
eines Generalissimus. Dabei waren Anton aber wohl seine deutschen Pagen
abhanden gekommen – gestorben, entlaufen, was auch immer. Der Wolfen-
bütteler Hof sollte ihm Ersatz schicken. Dieserhalb korrespondierte der
Braunschweigische Gesandte in St. Petersburg, Christoph Friedrich Groß,
mit dem Geheimrat August Adolf von Cramm. Wen traf die Wahl – mich!
Nach Russland in Marsch gesetzt, erreichte ich St. Petersburg Anfang 1738.
Sogleich ging es in den Krieg gegen den Sultan des Osmanischen Reiches.
Das war einigermaßen erträglich, solange Anton als Generalissimus fun-
gierte. Ihm hatte ich es zu verdanken, 1739 Fähnrich im Kürassierregiment
Riga zu werden – nach der Hauptstadt von Kurland benannt. Dort war da-
mals der Reichsgraf Ernst Johann von Biron Herzog, Liebhaber und Günst-
ling der Zarin Anna. Nach dessen Sturz wurde übrigens unser Ludwig
Ernst für kurze Zeit Regent in Riga!
Am 13. Juli 1739 heiratete Anton die Thronfolgerin Anna Leopoldowna,
eine Nichte der Zarin Anna Iwanowna. Man musste sich mit den Annas
und ihrer jeweiligen Herkunft im Russland dieser Zeit erst zurechtfinden.
Die glanzvolle Trauung fand im Zarenpalast zu St. Petersburg statt. Erin-
nerst Du Dich? Herzog Karl, immerhin Antons großer Bruder, ließ sich ent-
schuldigen und durch den Geheimrat von Cramm vertreten. Ich gehörte
schon nicht mehr zu Antons Gefolge und schon gar nicht den geladenen
Gästen. Ein glücklicher Umstand, denn bald jagte ein Ereignis das andere
und wer darin verwickelt war, wurde ohne Nachsicht vernichtet.
Zunächst einmal gebar am 18. August 1740 Anna Leopoldowna ihrem un-
geliebten Anton einen Sohn. Zehn Wochen später starb die Zarin Anna. Der
Säugling wurde als Iwan Antonowitsch zum Zaren ausgerufen, seine Mut-
ter zur Regentin. Die nächsten Monate sollen – so hörte ich später – von fa-
miliären Turbulenzen angefüllt gewesen sein. Anton ging jedem Streit mit
der als äußerst zickig geltenden Regentin aus dem Wege.
Ende 1741 geschah es dann: Elisabeth Petrowna, einer bisher kaum beachte-
ten Tochter des Zaren Peters I., gelang mit Hilfe weniger Gardisten eine
Palastrevolte, die zum Staatsstreich führte. Von der Truppe zur Zarin ausge-
rufen, ließ Elisabeth sogleich Anton und seine kleine Familie einkerkern.