Seite 21 - Zwist_Zwietracht

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begriffen, wo es zur Gesundung der Finanzen lang geht. Leider ignoriert
sein Schwager Karl, unser gnädiger Herr, gerade das geflissentlich!’
Während Ferdinand von Münchhausen auf diese Weise seinem Herzen
Luft machte, war man zwischen der verlassenen fürstlichen Wache und ei-
nem gleichermaßen leer stehenden Palais hindurch auf den noch immer
von schmucken Häusern gerahmten Rathausplatz gelangt.
Von seinen Reminiszenzen voll in Anspruch genommen, hatte Karl Fried-
rich die letzten Worte seines Vetters überhört. ‚Wenn ich mich so umsehe,
hat sich in den letzten 20 Jahren wenig verändert – auf den ersten Blick we-
nigstens. Doch schaute man draußen vor der Haustür nicht so genau hin –
drinnen spielte die Musik!‘
‚Bewahre Dir Deine Illusionen, alter Junge!‘ Ferdinand hielt das Gefährt an.
‚Die Außenwände sind allgemein von solidem Fachwerk, mit Ziegelstein
ausgefüllt und verputzt. Sie verdecken, was dahinter zu Bruch gegangen
und verkommen ist. Wie auch Vaters einstige Residenz. Nicht einmal das
früher viel bewunderte Vestibül lohnt noch den Augenschein. Wir würden
uns gern von der Liegenschaft trennen – doch sie ist ebenso unverkäuflich
wie die übrigen herrschaftlichen Anwesen rings herum. Wie es so schön
heißt – Stillstand bewirkt Niedergang! Im glücklicheren Braunschweig
spricht man verächtlich von Lumpenbüttel – so ist das!‘
Am Rathaus herrschte ein wenig mehr Leben, als in den umliegenden Gas-
sen. Auf dem Pflaster lungerten Männer in kleinen Gruppen herum, die
sich offenkundig für ein paar Kupferstücke gern nützlich gemacht hätten.
Schon lief einer von ihnen – dunkelhaarig und bärtig – herbei. ‚Zu Diensten,
Euer Gnaden, wenn es sein darf,‘ bot er sich an.
‚Du hast heute Glück, schwarzer Peter!‘ Ferdinand kannte den Burschen. Er
warf ihm einen Schlüssel zu. ‚Komm – kannst Dir Deine Vesper verdienen!
Öffne schon mal das Tor drüben!‘
Der Mann namens Peter rannte voraus in die angrenzende Klosterstraße.
Dort, dem Hof der Herzoglichen Kanzlei schräg gegenüber, nahm das grau
verputzte Stadthaus der Münchhausen mit seinem breit ausladenden Dach-
giebel fast die ganze Front der Gasse ein. An der verriegelten Einfahrt
machte sich Peter zu schaffen.
‚Wir schauen uns ein wenig im Schloss um. Kümmere Dich dieweil um den
Gaul, Peter. Du kennst Dich ja aus!‘ Ferdinand stieg von seinem Sitz herun-
ter und bedeutet dem Vetter, es ihm nach zu tun. ‚Gehen wir besser zu Fuß
weiter. Man würde uns wohl in den Schlosshof einfahren lassen. Aber dort
ist der dürftige Karren fehl am Platz.‘
Nur wenige Schritte hinter dem Rathausmarkt durch die Gassen der ‚Frei-
heit‘ trennte ein breiter Graben die Heinrichstadt von der Dammfestung.
Dort, unmittelbar vor dem Schlossbereich, zeigte Ferdinand auf ein be-
sonders stattliches Bürgerhaus.