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Stadt verlassen, um vor den Mauern in der Landwirtschaft auszuhelfen
oder im Wald Pilze, Beeren und Brennholz zu sammeln. Auf dem Holz-
markt vor der Trinitatiskirche bog Ferdinand nach rechts über einen stinki-
gen Stadtgraben ab. Früher einmal zum Entwässern des sumpfigen Gelän-
des angelegt, war er zu einem fauligen Rinnsal verkommen. Jenseits begann
die ehrwürdige alte Heinrichstadt mit den Wohnsitzen der Hofbeamten
adeliger oder großbürgerlicher Herkunft. Aber auch diese Gebäude von
stattlichen Dimensionen machten einen trostlosen Eindruck. Wo einst dem
Fachwerk eine Schicht Putz oder Farbe den Anschein einer Fassade aus
Stein verliehen hatte, bröckelte jetzt Ziegelmehl, Lehm und Stroh aus den
Hohlräumen über die blanken Holzbalken.
Sie passierten das Palais Rhetz, einen der städtischen Adelssitze.
‚Der Besitz steht zum Verkauf – wie die meisten der Anwesen hier herum in
unserer schönen, alten Heinrichstadt,‘ erklärte Ferdinand, ‚aber wer will sie
schon haben?‘
‚Ein Jammer!‘ pflichtete Karl Friedrich bei. ‚Ich kannte mich in diesem Teil
der Stadt ganz gut aus. Da ist schon linker Hand die Marienkirche. Mit neu-
em Dachhelm, wenn ich mich nicht täusche! Am anderen Ende des Korn-
markts befindet sich die Kommisse, daneben der Gasthof zum Goldenen
Löwen – lustig ging es da zu, man trank, scherzte, schwang das Tanzbein
und hielt nach einer Hübschen Ausschau. Zwecks gemeinsamer Gestaltung
des weiteren Abends!‘
‚Leider gibt es da schon lange nichts mehr zum Lachen und zu Tanzen,‘
störte Ferdinand die süßen Erinnerungen seines Gastes. ‚Eigentlich müss-
ten wir hier rechts abbiegen. Doch machen wir noch einen kleinen Schlen-
ker! In dem ansehnlichen Bau gegenüber, an der Ecke Kirchstraße, residier-
te noch vor kurzem der Kanzler Schrader von Schliestedt. Ein ehrenwerter,
tüchtiger Mann ist der – wenn auch nur bürgerlicher Herkunft. Er versieht
das Amt jetzt in Braunschweig. Ob es ihm gelingt, bei Herzog Karl die längst
fälligen Reformen durchzusetzen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Schon
mein Vater hatte Seiner Durchlaucht Zusagen für eine Reihe dringlicher
Maßnahmen abgerungen – aber des Herzogs guter Wille allein reicht nicht
aus, die veraltete Bürokratie auf Trab zu bringen. Einer sparsamen, kontrol-
lierten Haushaltsführung bedürfte es, den Verzicht auf die prunkvolle Hof-
haltung und eine Herabsetzung der Mannschaftsstärke der völlig überflüs-
sigen Garnison, die viel zu viel Geld verschlingt. Verglichen mit seinen
Vorgängern mag Herzog Karl einsichtig sein. Aber auf seiner selbstherr
lichen Willkür beharrt er stur – auch ohne wallende Locken. Wie die Fürs-
ten anderswo, hat er sich wenigstens der Allongeperücke entledigt, trägt
das Haarteil jetzt knapp über die Ohren weiß gepudert! Im Braunschweiger
Schloss gibt nicht mehr Paris den Ton an, auch nicht Wien – sondern Berlin!
Dort hatte bereits des jetzigen Preußenkönigs Vater – Friedrich Wilhelm –