Sie erlangte, trotz ihrer Abschwächung des
ursprünglichen lutherischen Denkens, beim
weitaus größten Teil des lutherischen Protes-
tantismus eine außergewöhnliche Hochschät-
zung und wurde die Grundlage der lutherischen
Orthodoxie.
W: Streitschriften, Predigten, Disputationen, vgl. Auf-
listung bei Jöcher, 1, Sp. 386/387. – L: ADB 1, S. 436ff.;
NDB 1, S. 277; DBE 1, S. 129; Wagenmann, in: Real-
Theol Bd 1, 1896, S. 501ff.; H.-W. Krumwiede, Zur Ent-
stehung des landesherrlichen Kirchenregimentes in
Kursachsen und Braunschweig-Wolfenbüttel, 1967, S.
199ff. – B: Porträt im StA Wf, 1 Alt 9, 337, Blatt 92.
J. Wiesner
Anna Sophie,
Herzogin zu Braunschweig und
Lüneburg (Wol), geb. Prinzessin von Brandenburg
* 18.03.1598 Berlin † 19.12.1659 Berlin,
Schulgründerin.
Als Tochter des Brandenburger Kurfürsten
Johann Sigismund (1572-1619) wurde A. S.
zusammen mit ihren Geschwistern am Hof zu
Berlin erzogen. Wie ihre Mutter und ihre
Schwestern blieb sie nach dem Konfessions-
wechsel des Vaters 1613 bei der luth. Konfes-
sion, während ihr Bruder Georg Wilhelm kalvi-
nistisch wurde. Am 4. September 1614 heiratete
A. S. den Wolfenbütteler Hzg
→
Friedrich Ulrich
zu Brsg-Lbg. Sie blieb in engem Kontakt mit
ihrer Familie in Berlin und wurde 1620 Tauf-
patin des künftigen Kurfürsten Friedrich Wil-
helm. Im gleichen Jahr hatte sie erheblichen
Anteil am Zustandekommen der Ehe zwischen
ihrer Schwester Maria Eleonora und dem schwe-
dischen König Gustav Adolf, die sie gegen den
Widerstand ihres Bruders, des Kurfürsten
Georg Wilhelm, zusammen mit ihrer Mutter
durchsetzte. 1623 wurde ihr Liebesverhältnis
mit dem kaiserlichen Offizier Julius Heinrich
von Sachsen-Lauenburg entdeckt, und sie setzte
sich nach Berlin ab. Vergeblich versuchte Hzg
Friedrich Ulrich, sich von ihr scheiden zu las-
sen. Seine ungeschickte Bündnispolitik be-
raubte ihn der nötigen politischen Unterstüt-
zung. A. S. hingegen etablierte sich am Berliner
Hof, wo sie wieder in die Heiratspolitik Bran-
denburgs eingebunden wurde, indem sie ihre
Schwester Katharina nach Siebenbürgen beglei-
tete, als diese 1626 mit Bethlen Gabor vermählt
wurde. Durch geschickte Verhandlungen
erwirkte A. S. im Streit mit ihrem Ehemann ein
kaiserliches Mandat, das ihr 1628 u.a. das Amt
Schöningen zum Unterhalt anwies. Im Septem-
ber 1628 bezog sie das Schloss in Schöningen,
das bislang als Witwensitz gedient hatte, und
etablierte dort einen eigenen Hofstaat. 1634
starb Hzg Friedrich Ulrich. Während des wei-
teren Verlaufes des Dreißigjährigen Krieges
gelang es der Hzgin, ihre Ämter zu schützen.
Schöningen wurde zur Fluchtstätte für viele
vom Krieg Vertriebene, besonders aus dem
Umkreis von Magdeburg.
A. S. initiierte die Gründung einer Schule in
Schöningen, für die sie 1638 ein erstes Gebäude
am Markt erwarb (Gymnasium Anna-Sophia-
neum bis 1808). Als bleibendes Gedächtnis gel-
ten auch ihre finanziellen Unterstützungen für
den Wiederaufbau der Stadt nach einem ver-
heerenden Brand im Jahre 1644 und Stiftungen
für die Ausstattung der Stadtkirche. Zum Wol-
fenbütteler Hzg
→
August d.J. zu Brsg-Lbg
bestanden teilweise gespannte Beziehungen, da
die Hzgin eine eigenständige Schulpolitik ver-
folgte und ihr aus ihrer Position als Witwe eines
Hzgs auch Geldforderungen zustanden, die
August d.J. nur zögernd beglich. Ab 1656 lebte
die A. S. in Berlin, wo sie an Schwermut litt, die
laut einem Verhörprotokoll aus Magdeburg von
einem Schadenzauber herrührte, der ihr von
einer früheren Dienerin auferlegt worden war.
1622 stiftete sie einen wertvollen Taufstein für
die Wolfenbütteler Kirche BMV. Dieser wurde
1666 auseinander gebrochen, weil er beim Ein-
zug der Leichenprozession Hzg Augusts d.J. im
Wege stand. Teile des Taufsteins wurden später
wieder verarbeitet (Taufgitter, Eisenwerk zur
Aufhängung des Kronleuchters).