Seite 47 - BS_Biographisches_Lexikon

Basic HTML-Version

Gedichte, Ballette und Singspiele sowie insbe-
sondere zwei umfangreiche, höfisch-historische
Romane („Staatsromane“), „Aramena“ und
„Octavia“, welch letzterer ihn bis zu seinem Tod
beschäftigte. 1655-56 unternahm er seine Kava-
lierstour nach Paris, 1656 folgte die Hochzeit
mit
Elisabeth Juliane von Holstein-Norburg.
1659 wurde er Mitglied in der Fruchtbrin-
genden Gesellschaft unter dem Namen „Der
Siegprangende“. Nach dem Tod des Vaters 1666
und dem Regierungsantritt seines älteren Bru-
ders
Rudolf August wurde A. U. 1667 Statthal-
ter und 1685 Mitregent; nach dem Tod des Bru-
ders 1704 regierte A. U. bis 1714 allein.
Selbstbewusst und hoch ambitioniert war A.
U. zu Lebzeiten ein unaufhörlich auf die Bedeu-
tungssteigerung seines Hzgtms bedachter Lan-
desfürst: durch Heiratspläne für seinen ältesten
Sohn versuchte er, das Fürstentum Lüneburg
an Wolfenbüttel zu binden; eine Allianz mit
Frankreich, gegen das Reich, sicherte A. U.
reiche Subsidiengelder, brachte aber auch 1702
kaiserliche Truppen vor die Tore Wolfenbüttels
und A. U. den vorübergehenden Verlust der Mit-
regentschaft sowie eine kurze Zeit im Exil; die
dynastische Verbindung seiner Enkelin
Elisa-
beth Christine, der Tochter seines Sohnes Lud-
wig Rudolf, mit dem späteren Kaiser Karl VI.
aus dem Hause Habsburg 1708 bedeutete nicht
nur Prestigegewinn, sondern verursachte auch
Turbulenzen wegen des vorher notwendigen
Übertritts der Braut zum katholischen Glauben
– durch diese Ehe wurde A. U. der Urgroßvater
der späteren Kaiserin Maria Theresia; eine
zweite Enkelin,
Charlotte Christine, wurde
1711 mit dem Sohn Zar Peters des Großen von
Rußland, Alexei, vermählt, dies allerdings eine
ausgesprochen unglückliche Verbindung. Zwie-
spältig wurde die eigene Konversion A. U.s 1710
beurteilt, die allerdings aus rein persönlichen
Gründen erfolgt zu sein scheint.
Die heutige Bedeutung A. U.s liegt weniger
in seinen dynastischen Erfolgen, sondern vor-
wiegend auf kulturellem Gebiet. A. U. trug in
dem als Aufbewahrungsort für seine Samm-
lungen gebauten Schloss Salzdahlum immense
Kunstschätze zusammen, die neben den für
einen Barockfürsten üblichen Sammlungen von
beispielsweise Gemälden und Porzellan auch
Bestände umfasste, die damals in deutschen
Schlössern nicht zu erwarten waren: vor allem
Majolika aus Italien und Emails aus Frankreich.
Diese Sammlungen bilden den Grundstock des
Herzog Anton Ulrich-Museums in Brsg. Der zu
Beginn des 19. Jahrhunderts abgerissene
Schlossbau in Salzdahlum war architekturge-
schichtlich außerordentlich innovativ: der erste
bekannte Gemäldegaleriebau wurde dort 1702
und die erste bekannte chinoise Garten-
architektur um 1706 errichtet. Seit 1705 errich-
tete
H. Korb in Wolfenbüttel für die hzgl.
Bibliothek das erste selbstständige Bibliotheks-
gebäude der Neuzeit als Zentralbau; der Biblio-
theksdirektor
Leibniz (seit 1691) war ein
wichtiger Ratgeber, Korrespondenzpartner und
Freund A. U.s.
A. U.s ausgeprägte Bildungsinteressen
äußerten sich z. B. 1687 in der Gründung der Rit-
terakademie in Wolfenbüttel. Der Bau von Opern-
häusern in Wolfenbüttel und Brsg (1688, 1690)
dokumentiert seine starke Neigung zur Bühne.
Seine Dichtungen, insbesondere die ehemals viel
gelesenen und hoch gepriesenen beiden Romane,
sichern A. U. bis heute einen bedeutenden Platz
in der deutschen Literatur des 17. Jh.
W: Werke. Historisch-Kritische Ausgabe, hrsg. von R.
Tarot, Bd 1ff., 1982ff. – L: ADB 1, S. 487ff.; NDB 1, S.
315f., DBE 1, S. 150f; E. Mazingue, Anton Ulrich duc
de Braunschweig-Wolfenbüttel (1633-1714). Un prince
romancier au XVIIème siècle, 1978; Hzg Anton Ulrich
von Brsg. Leben und Regieren mit der Kunst. Zum
350. Geburtstag am 4. Oktober 1983, Ausstellung
HAUM, 1983; C. Römer, Das Zeitalter des Hochabsolu-
tismus (1635-1735), in: Jarck/Schildt, S. 535-574, bes.
S. 547-561; A. Büttner, Die Sammlungen der Hzge des
Neuen Hauses Brsg bis zur Gründung des Hzgl.
Kunst- und Naturalienkabinetts, in: 250 Jahre
Museum. Von den fürstlichen Sammlungen zum
Museum der Aufklärung, Ausstellung HAUM, 2004,
S. 31-46, bes. S. 34-36; R. Marth, Die Sammlungen
von Rudolph August bis Ludwig Rudolph (1666-1735),
in: Das Herzog Anton Ulrich-Museum und seine
Sammlungen 1578 – 1754 – 2004, hrsg. von J. Luck-
hardt, 2004, S. 44-87, bes. S. 46-60. S. Kraft, Geschlos-
senheit und Offenheit der „Römischen Octavia“ von
Hzg Anton Ulrich, 2004 (S. 190-204, erschöpfendes
Literaturverz.). – B: 50 Slg 4 Nr. 4; HAB, A 2280 Kup-
ferstich/Radierung, Brustbild; A 2281 Kupferstich,
Kniestück; A 2282, Kupferstich, fast ganze Figur.
R. Marth
Anton Ulrich
(d.J.), Herzog zu Braunschweig
und Lüneburg (Wol)
* 28.08.1714 Brsg † 15.05.1776 Cholmogory
(bei Archangel’sk), russischer Generalissimus.
1733 verließ A. U., Enkel des gleichnamigen
Hzgs
Anton Ulrich (d.Ä.) zu Brsg-Lbg und