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der Celler Welfenlinie studierte in Rostock,
Tübingen und Straßburg. Nach der Rückkehr
von seiner Kavalierstour (Italien, Frankreich,
England) erhielt er die kleine Herrschaft Hitz-
acker an der Elbe. Hier, in seinem „Ithaka“,
führte er von 1604 bis 1635 das Leben eines
Gelehrten und begann mit dem Aufbau seiner
später weltberühmten Bibl. (galt als „Achtes
Weltwunder“). 1634 wurde er Mitglied der
„Fruchtbringenden Gesellschaft“ mit dem
Namen „Der Befreyende“.
Am 14. Dezember 1635 kam es nach dem
Aussterben der Wolfenbütteler Linie zu einem
Erbvergleich unter den Welfenfürsten: A. erhielt
das Fürstentum Brsg-Wolfenbüttel als Regent
und trat unverzüglich die Regierung an. Er
wurde dadurch zum Begründer des Neuen
Hauses Brsg (erloschen 1884). 1642/43 schloss
das welfische Gesamthaus einen Separatfrie-
den mit Kaiser Ferdinand III. („Goslarer Frie-
den“, ein Kompromissfrieden), der für A.s Fürs-
tentum trotz einer Verkleinerung des Territo-
riums (das „Große Stift Hildesheim“, erworben
1519/1523, musste 1643 wieder zurückgegeben
werden) von Vorteil war: Im Frühjahr 1644 zog
A. in seine weitgehend zerstörte Residenz in
Wolfenbüttel ein. Der nun beginnende Wieder-
aufbau des Landes nach den Zerstörungen des
30jährigen Krieges dauerte Jahrzehnte: Die
Bevölkerung war dezimiert und verarmt, vieles
war zerstört. A.s Werk war insbesondere der
Wiederaufbau seiner Residenzstadt und deren
Erweiterung (Augustvorstadt) sowie der Erwerb
der Grafschaft Blankenburg 1651. Der Konso-
lidierung dienten vor allem eine reorganisierte
Verwaltung und zahlreiche „Ordnungen“, z. B.
Kammerordnung 1636, Hochzeits- und Begräb-
nisordnung 1646, Landesordnung (Polizei)
1647, Kanzleiordnung 1651, Schulordnung 1651,
Klosterordnung 1655, Hofgerichtsordnung 1663
sowie mehrere Kirchenordnungen 1636-57,
1661. Bereits 1647 wurde die allgemeine Schul-
pflicht festgelegt.
Mit seiner Devise „Expende“ („Alles mit
Bedacht“) vergaß A. auch seine Büchersamm-
lung nicht, die im Obergeschoss des Marstall-
gebäudes (Vorgänger der berühmten „Biblio-
theksrotunde“ des 18. Jh.) untergebracht war. Als
zweiter und eigentlicher Gründer der Wolfenbüt-
teler Bibl. (nach Hzg
Julius aus dem Mittleren
Haus Brsg) ging A. in die Geschichte ein.
Der Ursprung der „Bibliotheca Selenica“,
nach ihm später „Bibliotheca Augusta“ genannt,
die bei seinem Tode 135.000 Titel in 40.000
Bden umfasste, reicht bis in seine Kindheit
zurück. Mit Hilfe von Bücheragenten erweiterte
A. seine Studienbibliothek mit sparsamen Mit-
teln vorzugsweise durch Einzelkäufe und
erfasste sie in einem ausführlichen Katalog. Für
die systematische Aufstellung der universalen
Sammlung in 20 Gruppen legte er 1625 eine
Nummerierung fest, die auch künftigem
Zuwachs gerecht wurde. Aufgrund dieses Kata-
loges und seines Vorgängers sowie umfang-
reicher Korrespondenz mit den Agenten lässt
sich das Wachstum der Sammlung zwischen
1586 (frühester Buchbesitz) und 1666 nahezu
von Jahr zu Jahr nachvollziehen.
Als Autor trat A. u.a. 1616 mit „Das Schach-
oder Königsspiel“ hervor, 1624 mit dem Werk
über Geheimschriften „Cryptomenytices et
Cryptographiae libri IX“, 1640 mit der „Gesch.
des Herrn Jesu“ und 1645 mit der „Evangeli-
schen Kirchen-Harmonie“. Seine Arbeiten zu
einer neuen Bibelübersetzung aus den Urspra-
chen wurden wegen Widerspruchs der luthe-
rischen Theologen 1638 aufgegeben, 1664 aber
an
Johannes Saubert d.J. in Helmstedt dele-
giert, der sie nach dem Tod des Hzgs abbrach.
Die Hofkultur in Wolfenbüttel war besonders
durch Literatur und Musik geprägt; A.s dritte
Gemahlin
Sophie Elisabeth von Mecklenburg-
Güstrow trat selbst als Komponistin hervor.
L: NDB 1, S. 445f.; Sammler-Fürst-Gelehrter. Hzg
August zu Brsg u. Lbg 1579-1666, 1979 (Ausstellungs-
katalog m. Lit.); Killy, Bd 1, 1988 (Jill Bepler); Jarck/
Schildt, S. 535-547; M. v. Katte, Hzg August und die
Kataloge seiner Bibl., in: Wolfenbütteler Beitr. 1, 1972,
S. 168-199; Dies., Zur Erziehung und Ausbildung Hzg
Augusts d.J. zu Brsg u. Lbg. Die Präzeptorwahl von
1594 und die Entstehung seiner Devise EXPENDE, in:
Wolfenbütteler Beitr. 5, 1982, S. 9-51; Nachlass: HAB
(vorwiegend Korrespondenzen). – B: Ölgemälde von
H. Boiling 1666 (HAB); Zahlreiche Kupferstiche, z.B.
von C. Waumans 1652, von
Conrad Buno 1662
(HAB); Ölgemälde mit Wolfenbütteler Schloss im Hin-
tergrund um 1645, unsigniert (BLM); Bildnachweise
in Sammler-Fürst-Gelehrter (s.o.), S. 31-48.
M. v. Katte, W. Milde
August Wilhelm,
Herzog zu Braunschweig und
Lüneburg (Wol)
* 08.03.1662 Wolfenbüttel † 23.03.1731 (bei-
gesetzt in der Hauptkirche BMV, Wolfenbüttel).
Erst durch den Tod seiner beiden älteren
Brüder wurde A. W. Erbprinz. Aber auch danach