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Sauerstoff [O
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] ist im Normalfall in der Luft mit ca. 21 Prozent Anteil vorhanden. Mit der Verdrängung des Sauerstoffs durch z. B.
Methangas, Schwefelwasserstoff oder ähnliches entsteht ein Sauerstoffmangel. Der Mensch kann bis zu einer Sauerstoff-
reduzierung auf 16 % acht Stunden unschädlich arbeiten. Bereits bei 14% beginnen Atembeschwerden, es entsteht ein klingelndes
Ohrgeräusch; Sehbeschwerden und Müdigkeit kommen auf. Bei 12% verstärkten sich die Sehbehinderung und Müdigkeit, bei
10% Bewusstlosigkeit, bei 8% tritt der Tod ein.
Schwefelwasserstoff [H
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S] erkennt man an seiner unangenehmen Geruch. Er riecht nach verfaulten Eiern. Bereits bei höherer
Konzentration von ca. 150 – 300 ppm
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erlahmt die Geruchsempfindung, so dass man davon ausgeht, dass das Gas nicht mehr vor-
handen ist. Es folgt ein Schwindelgefühl mit Orientierungslosigkeit, der Betroffene wirkt wie alkoholisiert, danach setzt die
Bewusstlosigkeit ein.
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Ein Mitarbeiter der Stadtentwässerung Braunschweig berichtet von einem Einsatz:
„Ich war im Kanal, als ich plötzlich den Geruch von Schwefelwasserstoff bemerkte. Innerhalb kurzer Zeit habe ich diesen aber
nicht mehr wahrgenommen. Auf Grund des Warnrufs eines Kollegen wollte ich den Kanal verlassen, hatte aber Orientierungs-
probleme und konnte die neben mir stehende Lampe nicht mehr ordnen. Nach dem sofortigen Ausstieg aus dem Kanal bemerkten
die Kollegen meinen schwankenden Gang. Durch das Atmen an der frischen Luft hat sich dann alles wieder normalisiert.“
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In gefährdeten Bereichen werden daher „Selbstretter“ getragen (Abb. 175). Diese umluftunabhängigen Atemschutzgeräte ermög-
lichen dem Benutzer die Flucht aus den Bereichen mit gefährlicher Atmosphäre. Nach dem Anlegen gewähren sie dem Mitarbeiter
eine Überlebenszeit von etwa einer halben Stunde. Neben dem „Selbstretter“ wird auch der Bewegungsmelder („Totmann“) am
Körper des Mitarbeiters getragen. Dieser Bewegungsmelder löst nach einer Minute ohne Bewegung einen akustischen Alarmton
aus. Nach weiteren 30 Sekunden wir die Intensität des Alarmtones erheblich gesteigert, sodass er für die weiteren Mitarbeiter im
Kanalsystem unüberhörbar ist.
Eine weitere Gefährlichkeit stellen die Keimbelastung und die damit verbundene Infektionsgefahr im Kanalbereich dar. Auf die
Mitarbeiter kann durch Bakterien die „Weil’sche Krankheit“ übertragen werden. Sie entsteht durch die Übertragung von Lepto-
spiren,
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die durch den Urin von Ratten in die Kanalisation gelangen und über die Schleimhäute in den menschlichen Körper ein-
dringen können, wenn die Mitarbeiter mit dem infizierten Abwasser in Berührung kommen. Symptome der „Weil’sche Krankheit“
können nach 6 bis 14 Tagen auftreten, und zwar mit grippeartigen Erscheinungen wie Kopf- und Gliederschmerzen, Schüttelfrost
und Fieber. Im weiteren Verlauf kommt es zu Leber- und Nierenentzündungen (Gelbsucht). Die Krankheit kann mit Antibiotika be-
handelt werden. Wird die Krankheit nicht erkannt oder behandelt, kann sie tödlich verlaufen
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Anmerkungen
1 Kanal-Reinigungs-Technik GmbH, „Sicherheit und Gesundheitsschutz im Abwasserbereich“, Schieder-Schwalenberg, o. D., S. 2-3.
2 Der englische Ausdruck parts per million (ppm, zu deutsch „Teile von einer Million“) steht für die Zahl 10−6 und wird in der Wissenschaft für
den millionsten Teil verwendet, so wie Prozent (%) für den hundertsten Teil steht. Vergl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Parts_per_million.
3 Kanal-Reinigungs-Technik GmbH, „Sicherheit und Gesundheitsschutz im Abwasserbereich“, Schieder-Schwalenberg, o. D., S. 5-6.
4 Gespräch mit Herrn Hans Jürgen Schulze am 14.12.2010.
5 Krankheitserreger der Gattung Leptospira. Vergl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Krankheitserreger.
6 Ulrich Kusche, „Gesetzliche Vorgaben bei der Rattenbekämpfung“, unveröffentlichtes Manuskript, Niemetal 2001, S. 3.
Abb. 174: Mehrgasdauermessgerät, 2010.
Abb. 175: Links Bewegungsmelder (Totmann), rechts Selbstretter,2010.