Seite 13 - Brocken

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Die Geschichte des Brockens
ches Wirtshaus. Es war
„ein steinern Gebäude
von mittlerer Größe mit einer geräumigen Stube
und einem Kämmerchen daneben, einer Diele,
kleinen Küche, Vorratskammer und doppelter
Stallung“.
Auf den Strohschütten, die hier als
Nachtlager dienen mussten, ruhten trotz aller
Einfachheit auch Fürsten aus. Es hat aber nur
kurze Zeit gestanden, denn schon im Jahre
1799 brannte es ab und ist nicht erneuert wor-
den.
Dieser Brand wurde zum Anlass genommen,
im folgenden Jahr auf dem Hauptgipfel des
Brockens ein wirkliches, auch im Winter be-
wirtschaftetes Gasthaus zu errichten, ein ein-
stöckiges Haus mit einem neun Meter hohen
Aussichtsturm in der Mitte. Die Mauern waren
massiv und 1 ½ Meter dick.
Doch ehe es zu diesem Bau kam, empfing
der Brocken noch Besuch von bemerkenswerten
Gästen. Der Dichter Wilhelm Ludwig Gleim war
am 26. Juni 1760 von Halberstadt aus hinauf-
gepilgert, neun Jahre später blieb er sogar zwei
Tage oben, um den Durchzug der Venus durch
die Sonne zu beobachten. Im Jahre 1766 kam
der spätere Dichter Johann Heinrich Voß auf
dem Brocken an. Er war zu dieser Zeit Primaner
auf dem Gymnasium zu Neubrandenburg und
machte diese Reise als
„Mentor“
vornehmer,
reicher Knaben, denn der aus ärmlichen Ver-
hältnissen stammende Voß, der sich durch
Stundengeben mühsam genug selbst nährte,
dürfte die Kosten der weiten Reise kaum selbst
bestritten haben. Elf Jahre später kam Johann
Wolfgang von Goethe auf den Brocken. Von
Altenau aus erstieg er am 10. Dezember 1777
angeblich in drei Stunden den Berg.
„Schnee
eine Elle tief, aber er trug. Heiterer, herrlicher
Ausblick! Die ganze Welt in Wolken und Nebel,
und oben alles heiter“,
schrieb er in sein Tage-
buch. Später notierte der Dichter:
„Du stehst mit
unerforschtem Busen/Geheimnisvoll offenbar /
Über der erstaunten Welt /Und schauhst aus
Wolken/Auf ihre Reiche und Herrschaft, /Die du
aus den Adern deiner Brüder/Neben dir wässerst.“
Es war übrigens die erste bekannte Brocken-
besteigung im Winter.
Goethe schrieb über diese Besteigung an
Charlotte von Stein:
„Wie ich gestern zum Torf-
hause kam, saß der Förster bei seinem Morgen-
schluck in Hemdsärmeln, und diskursive redete
er vom Brocken, und er versicherte, die Unmög-
lichkeit hinaufzugehen, und wie oft er Sommers
droben gewesen wäre, und wie leichtfertig es wäre,
jetzt zu versuchen. – Die Berge waren im Nebel,
man sah nichts, ‚und so‘, sagte er, ‚ist‘s auch jetzt
oben, nicht drei Schritte vorwärts können Sie
sehen. Und wer nicht alle Tritte weiß‘ p. p. Da saß
ich mit schwerem Herzen, mit halben Gedanken,
wie ich zurückkehren wollte. Und ich kam mir
vor wie ein König, den der Prophet mit dem Bogen
schlagen heißt, und der zu wenig schlägt. Ich war
still und bat die Götter, das Herz dieses Menschen
zu wenden und das Wetter, und war still. So sagt
er zu mir: ‚Nun können Sie auf den Brocken
sehen.‘ Ich trat ans Fenster, und da lag er vor mir,
klar wie mein Gesichte im Spiegel; da ging mir
das Herz auf, und ich rief: ‚Und ich sollte nicht
hinaufkommen? haben Sie keinen Knecht,
niemanden?‘ Und er sagte: ‚Ich will mit Ihnen
gehen.‘ – Ich habe ein Zeichen ins Fenster ge-
schnitten zum Zeugnis meiner Freudenthränen,
und wär‘s nicht an Sie, hielt ich‘s für Sünde, es
zu schreiben. Ich hab‘s nicht geglaubt bis auf der
obersten Klippe. Alle Nebel lagen unten, und oben