Seite 14 - Brocken

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Die Geschichte des Brockens
war herrliche Klarheit und heute nacht bis früh
war er im Mondschein sichtbar und finster auch
in der Morgendämmerung, da ich aufbrach.“
Am 21. September 1783 war Goethe zum
zweiten Mal auf dem Brocken, von Clausthal
aus, diesmal in Begleitung des zehnjährigen
Fritz von Stein, des Sohnes seiner Freundin.
Hatte er sich auf der ersten Besteigung nicht in
das Fremdenbuch eintragen können, da das
Wirtshaus auf der Heinrichshöhe geschlossen
war, so schrieb er dieses Mal seinen Namen in
das Buch hinein.
Erst bei seiner dritten Brockenreise finden
wir am 4. Sep­tember 1784 im Tagebuch von sei-
ner Hand Verse eingetragen, aber nicht eigene,
sondern zwei lateinische Hexameter. Ob auch
bei dieser Reise so schönes Wetter war, wie bei
den vorausgegangenen, wissen wir nicht. Aus
der wunderbar echten Sturmstimmung des Ein-
gangs der Walpurgisnacht-Szene im Faust darf
man schließen, dass der Dichter auch kennen
gelernt hat, wie es in der
„Gegend von Schierke
und Elend“
aussieht, wenn die Herbststürme um
die Felsen toben, Nebelfetzen über die Kuppe
jagen.
Es waren viele Dichter auf dem Brocken. In
der Nacht zum 1. Juli 1789 waren Günther von
Göckingk und der als Buchhändler bekannte
Friedrich Nicolai hier oben. Später war A. W.
Schlegel, der geniale Übersetzer Shakespeares
hier. Er sah wegen des
„neblichten und regne­
rischen Wetters“
nichts, hatte aber
„zum Glücke
in seinem Mantelsack den Pindar
(altgrie­
chischer Dichter),
mit dem er sich beschäftigen
konnte“.
Auch H. C. Andersen war auf dem Bro-
cken, der seine Zeitgenossen durch seine Mär-
chen zu heller Bewunderung hinriss, und auch
der Spötter Heinrich Heine erlebte diesen deut-
schen Berg.
Der bekannte dänische Märchendichter
Hans Christian Andersen drückte seine Bro-
cken- und Harzreise prosaisch so aus:
„Eine
Landschaft wird nicht nur durch die stolzen Ge-
birgsmassen mit ihren unübersehbaren Wäldern,
das hohe Gebüsch, das sich über den brausenden
Fluss schlingt, oder die tote Steinmasse eines
halb eingestürzten Gebäudes romantisch – erst
wenn sie durch eben ihre Natur, die eine oder an-
dere Sage besitzt, erhält das Ganze seine voll-
kommene magische Beleuchtung, die es vor dem
Auge der Seele recht erhebt. Da bekommen die
toten Mauern Leben, es ist nicht mehr eine leere
Dekoration, sondern eine Handlung. Jedes Blatt,
jede Blume ist nun ein sprechender Vogel und die
Quelle ein klingender Springbrunnen, der zu die-
sem Melodram der Geister seine ewigen rieseln-
den Akkorde anschlägt. Die Gegend ringsum
wurde für mich durch ihre Sagen doppelt
schön…“
Heine kam im Spätsommer auf den Brocken.
Von der Universitätsstadt Göttingen aus wan-
derte er über Osterode durch den Harz auf den
Gipfel. Er schrieb danach das berühmte Werk
„Die Harzreise“
. Eine Strophe daraus beschreibt
die wunderbare Stimmung:
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunklen Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen
Und die stolzen Wolken jagen.
Heine (1797-1856) war Denker und Dichter
zugleich, aber auch Spötter und Ironisierer,
geistreich und witzig, frech und mutig. Marcel
Reich-Ranicki schrieb einmal über ihn:
„Er war
der bedeutendste Journalist unter den deutschen