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              Zu den Baulichkeiten der Klosteranlage liefern die Urkunden
            
            
              und sonstigen archivalischen Schriftquellen für die ersten
            
            
              etwa 450 Jahre der Entwicklungsgeschichte nur recht
            
            
              spärliche Hinweise.
            
            
              1
            
            
              Dies betrifft sowohl den spätromanisch-
            
            
              frühgotischen Ursprungsbau des ausgehenden 12. / frühen
            
            
              13. Jahrhunderts sowie die nachfolgenden spätmittelalter-
            
            
              lichen und neuzeitlichen Veränderungen im 14.–17. Jahr-
            
            
              hundert. So sind in den Urkunden nach P. J. Meier
            
            
              2
            
            
              lediglich
            
            
              die folgenden Räumlichkeiten erwähnt: im Jahre 1274 der
            
            
              Kapitelsaal, 1315 der Remter (der Speisesaal, Refektorium),
            
            
              1331 der Schlafsaal (Dormitorium), 1462 der Kreuzgang
            
            
              und 1488 das „locutorium minus“ (ein kleines Sprech
            
            
              zimmer, Parlatorium). Die etwa bis in die Mitte des 17.
            
            
              Jahrhunderts an den Klausurgebäuden durchgeführten
            
            
              baulichen Veränderungen lassen sich im Wesentlichen nur
            
            
              noch durch eine Betrachtung und Interpretation der Bau-
            
            
              spuren vor Ort nachvollziehen und sind abhängig vom
            
            
              jeweiligen Umfang der jüngeren Veränderungen. Dabei
            
            
              lässt sich erkennen, dass die spätmittelalterlichen und
            
            
              frühneuzeitlichen Raumzuschnitte durch die barocken Ver-
            
            
              änderungen des 18. Jahrhunderts in der Regel lediglich
            
            
              unterschiedlich stark überformt wurden. Durch den Einbau
            
            
              zusätzlicher Wände oder auch ganzer Raumgefüge bis hin
            
            
              zu Aufstockungen einzelner Gebäudeteile wurden sie den
            
            
              veränderten Nutzungen und Nutzerbedürfnissen entspre-
            
            
              chend neu strukturiert. Im Unterschied zu den späteren
            
            
              Eingriffen des 19. und 20. Jahrhunderts wurde dabei
            
            
              vergleichsweise wenig ältere Bausubstanz durch einen
            
            
              vollständigen Abbruch und/oder teilweisen Neuaufbau
            
            
              zerstört.
            
            
              Gegen Ende des 18. Jahrhunderts (Abb. 1) liefern auch
            
            
              Bestands- oder Umbaupläne des Vermessers Johann Martin
            
            
              Schüttelöffel erste konkrete Aufschlüsse zu den derzeitigen
            
            
              Baustrukturen und Nutzungen der einzelnen Klausurflügel.
            
            
              Die Bestandspläne stellen angesichts der umfangreichen
            
            
              späteren Veränderungen im 19. Jahrhundert, insbesondere
            
            
              unter der Domina Charlotte von Veltheim nach 1860, eine
            
            
              wichtige archivalische Grundlage zur Erschließung der älte
            
            
              ren Raum- und Nutzungsstrukturen der Klosteranlage dar.
            
            
              Die jeweils aufwendig kolorierten Bestands- und Umbau-
            
            
              pläne dokumentieren nach derzeitiger Kenntnis zum einen
            
            
              die älteste vollständige Darstellung zum Grundrissgefüge
            
            
              des gesamten Klosterareals und umfassen darüber hinaus
            
            
              auch noch Einzelaufnahmen in besonders detaillierter
            
            
              Ausführung für alle Grundrissebenen der Klausurgebäude
            
            
              
                Was uns die Steine erzählen –
              
            
            
              
                Raumstruktur und Nutzung der Klausurgebäude im Wandel der Zeit
              
            
            
              Dieter Haupt
            
            
              und des Kirchenbaues. Zudem liefern die relativ ausführlichen
            
            
              Planbeschriftungen und Legenden eindeutige Informationen
            
            
              zu den damaligen Raumnutzungen und den unterschied-
            
            
              lichen Höhenlagen der jeweiligen Flügelbereiche. Beson-
            
            
              ders interessant sind hier auch einzelne Hinweise auf ältere
            
            
              Nutzungen an gleicher Stelle, die zumindest teilweise auf
            
            
              den bauzeitlichen Bestand der mittelalterlichen Kloster
            
            
              anlage zurückgehen könnten. Beispiele hierfür sind der
            
            
              große mittlere Raumbereich im Erdgeschoss des Nordost-
            
            
              flügels mit der Raumbezeichnung
            
            
              
                Holz-Remise für die
              
            
            
              
                Domina, olim
              
            
            
              [einst]
            
            
              
                Refectorium
              
            
            
              und der nördliche Raum-
            
            
              bereich im Erdgeschoss des Westflügels mit der Bezeich-
            
            
              nung
            
            
              
                Des Försters Heu und Holtzstall. Olim die Schule
              
            
            
              .
            
            
              Diese Pläne bilden die Basis und eine eindeutige Anknüp-
            
            
              fungsmöglichkeit für eine erste vergleichende Analyse mit
            
            
              dem heutigen Bestand sowie für weitergehende Interpre-
            
            
              tationen der bauhistorischen Befunde und archivalischen
            
            
              Hinweise. So liefern sie letztlich auch wichtige Informationen
            
            
              für die zeichnerische Darstellung zu den wesentlichen Stufen
            
            
              der baulichen Entwicklung in Form einer sogenannten
            
            
              Baualterskartierung.
            
            
              Abb. 1
            
            
              Ausschnitt aus dem
            
            
              „Plan von den Kloster
            
            
              Marienberg vor Helmstedt,
            
            
              nebst denen Environs“
            
            
              , auf
            
            
              genommen von Johann Martin
            
            
              Schüttelöffel, 1787 – hier:
            
            
              Kirche und Klausur.
            
            
              Der nördliche Gebäudeflügel
            
            
              hier: Hauptflügel und Ansatz
            
            
              des Küchenbaus, 2011.