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              erneuert worden, dabei hat man sich jedoch gekonnt an
            
            
              den alten Vorlagen angelehnt. Das leicht vorspringende
            
            
              Westportal (Abb. 5) erhält seine beeindruckende Wirkung
            
            
              durch die vierstufige Gliederung, die alternierend durch
            
            
              Säulen und wunderschön gestaltetem Rankenwerk be-
            
            
              stimmt ist. Dieses staufische Rankenwerk zeigt sorgfältig
            
            
              bearbeitete mit Blättern besetzte Stengel, die spiralförmig
            
            
              eingerollt sind. Durch die starke Hinterarbeitung der
            
            
              Pflanzenformen wurde eine auffallende plastische Wirkung
            
            
              erreicht.
            
            
              Hinter diesem Hauptportal befand sich ursprünglich eine
            
            
              hohe Vorhalle, die sich zum Mittelschiff hin öffnete und
            
            
              an die sich seit dem 13. Jahrhundert zu beiden Seiten die
            
            
              schon erwähnten kreuzrippengewölbten Kapellen an-
            
            
              schlossen, die mit der hohen Turmhalle durch Spitzbogen
            
            
              verbunden waren. Heute bildet die Eingangshalle durch
            
            
              den Einbau der Orgelempore eine niedrigere Eingangs
            
            
              situation. Das weite und hohe Mittelschiff ruht auf qua-
            
            
              dratisch ausgebildeten Pfeilern mit großen Arkaden, wobei
            
            
              der Bauablauf in zwei Phasen eingeteilt war, die durch
            
            
              eine horizontal verlaufende Fuge etwa 2,50 m über den
            
            
              Scheidbogen zu bestimmen ist. Das Mittelschiff ist zu den
            
            
              Seitenschiffen hin von jeweils sieben Arkaden durchbrochen,
            
            
              die rundbogig und profillos gestaltet sind (Abb. 6). Auf
            
            
              fallend ist, daß die beiden östlichen Arkaden eine geringere
            
            
              Breite haben und mit spitz zulaufenden Scheidbogen ab-
            
            
              schließen. Dabei handelt es sich um den 1478 in den
            
            
              Quellen als
            
            
              
                „chorus inferior“
              
            
            
              bezeichneten Vorchor, der
            
            
              auch zwei Stufen höher liegt als der westliche Langhaus-
            
            
              teil. Dieser Vorchor ist durch Schranken von den Seiten-
            
            
              schiffen getrennt, auf denen Mittelpfeiler in achteckiger
            
            
              Form stehen, die zur Deckplatte hin wieder in Vierecke
            
            
              übergehen. Hier sind die einzigen Pfeiler mit figürlichem
            
            
              Schmuck, einem Kopf und einem Brustbild, die aber nicht
            
            
              mehr näher zu bestimmen sind. Es wird vermutet, daß mit
            
            
              der Zerstörung Helmstedts 1199 auch die Stiftskirche er-
            
            
              heblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Anschließend
            
            
              könnten vor der Weihe 1236 die höhere Ausführung der
            
            
              Obergadenwände ebenso erfolgt sein wie die gotischen
            
            
              Bogen der Vierung sowie die spitzbogigen Ostarkaden des
            
            
              Langhauses.
            
            
              Gerhard Lutz hat in seiner sehr detailreichen Beschreibung
            
            
              des Klosters St. Marienberg auf einen besonders interessan
            
            
              ten Aspekt hingewiesen, nämlich die engen Beziehungen,
            
            
              die sich aus dem Bauschmuck, insbesondere der beiden
            
            
              Portale und der Westfront der Stiftskirche zum Magdeburger
            
            
              Dom ergeben. Dessen Überlegungen sollen aufgrund ihrer
            
            
              Bedeutung hier vollständig wiedergegeben werden, zumal
            
            
              damit zugleich einige interessante Details zum Bauschmuck
            
            
              ergänzt werden:
            
            
              
                „Die Schmuckformen der beiden Portale
              
            
            
              
                wie der Westteile überhaupt lassen eine große Ähnlichkeit
              
            
            
              
                zum Chor des Magdeburger Doms erkennen. Dies zeigt
              
            
            
              
                sich in St. Marienberg speziell an der Rahmung des Fensters
              
            
            
              
                an der Südseite des Westbaus. Bei den dortigen Kapitellen,
              
            
            
              
                die noch zum ursprünglichen Bestand gehören, wird trotz
              
            
            
              
                ihres schlechten Erhaltungszustandes – vor allem das rechte
              
            
            
              
                ist durch Umwelteinflüsse stark beschädigt – die hohe
              
            
            
              
                künstlerische Qualität noch deutlich: Ihnen sind wie am
              
            
            
              
                Westportal auf der linken Seite Spiralranken aufgelegt, die
              
            
            
              
                jedoch deutlich graziler und durch zahlreiche Überschnei-
              
            
            
              
                dungen des Rankenwerks auch reliefhafter sind, sowie auf
              
            
            
              
                der rechten kranzartig hochwachsende Stengel. Der Kapitell
              
            
            
              
                körper ist so stark eingetieft, daß die Pflanzenformen frei
              
            
            
              
                vor diesen zu treten scheinen und die zugrundeliegende
              
            
            
              
                Kelchform durch die vielfältigen Überschneidungen vom
              
            
            
              
                Betrachter nicht mehr als solche aufgefasst wird. Große
              
            
            
              
                Ähnlichkeit besitzen diese beiden Kapitelle mit jenen im
              
            
            
              
                Erdgeschoß des Magdeburger Chorumgangs. Charakteristisch
              
            
            
              
                für beide Bauten ist auch, daß die recht unterschiedlichen
              
            
            
              
                Kapitelltypen einander direkt gegenübergestellt werden. Die
              
            
            
              
                Parallelen zwischen dem linken Kapitell in St. Marienberg
              
            
            
              
                und den Magdeburger Beispielen sind gar so eng, daß die
              
            
            
              
                Vermutung nahe liegt, der Steinmetz sei von der unweit
              
            
            
              
                gelegenen Kathedralbaustelle nach Helmstedt gekommen.
              
            
            
              
                Die engen künstlerischen Beziehungen zu Magdeburg lassen
              
            
            
              
                sich auch im Inneren weiterverfolgen: Dort fallen besonders
              
            
            
              
                die reich dekorierten Kapitelle des Gurtbogens ins Auge,
              
            
            
              
                der das Mittelschiff vom westlichen Vorjoch trennt. Auch
              
            
            
              
                hier wurden wiederum zwei sehr unterschiedliche Kapitell-
              
            
            
              
                typen miteinander konfrontiert. Das südliche Kapitell besitzt
              
            
            
              
                erneut eine kranzförmige Anordnung der Blätter. Im Unter-
              
            
            
              
                schied zu den Beispielen am Außenbau zeigt sich hier nun
              
            
            
              
                eine stärkere horizontale Schichtung. Kürzere und längere
              
            
            
              
                Blätter wechseln sich ab, wobei die längeren an ihrem
              
            
            
              
                oberen Ende nach außen gebogen sind und reiche Blattge-
              
            
            
              
                bilde entwickeln. Das nördliche Kapitell besitzt die für die
              
            
            
              
                Gotik jener Zeit typische Knospenform. Ein sehr ähnliches
              
            
            
              
                Nebeneinander gibt es beim Bischofsgang des Magdeburger
              
            
            
              
                Domes, wo gerade die Blattkapitelle bis in Details vergleich
              
            
            
              
                bar sind.