56
erneuert worden, dabei hat man sich jedoch gekonnt an
den alten Vorlagen angelehnt. Das leicht vorspringende
Westportal (Abb. 5) erhält seine beeindruckende Wirkung
durch die vierstufige Gliederung, die alternierend durch
Säulen und wunderschön gestaltetem Rankenwerk be-
stimmt ist. Dieses staufische Rankenwerk zeigt sorgfältig
bearbeitete mit Blättern besetzte Stengel, die spiralförmig
eingerollt sind. Durch die starke Hinterarbeitung der
Pflanzenformen wurde eine auffallende plastische Wirkung
erreicht.
Hinter diesem Hauptportal befand sich ursprünglich eine
hohe Vorhalle, die sich zum Mittelschiff hin öffnete und
an die sich seit dem 13. Jahrhundert zu beiden Seiten die
schon erwähnten kreuzrippengewölbten Kapellen an-
schlossen, die mit der hohen Turmhalle durch Spitzbogen
verbunden waren. Heute bildet die Eingangshalle durch
den Einbau der Orgelempore eine niedrigere Eingangs
situation. Das weite und hohe Mittelschiff ruht auf qua-
dratisch ausgebildeten Pfeilern mit großen Arkaden, wobei
der Bauablauf in zwei Phasen eingeteilt war, die durch
eine horizontal verlaufende Fuge etwa 2,50 m über den
Scheidbogen zu bestimmen ist. Das Mittelschiff ist zu den
Seitenschiffen hin von jeweils sieben Arkaden durchbrochen,
die rundbogig und profillos gestaltet sind (Abb. 6). Auf
fallend ist, daß die beiden östlichen Arkaden eine geringere
Breite haben und mit spitz zulaufenden Scheidbogen ab-
schließen. Dabei handelt es sich um den 1478 in den
Quellen als
„chorus inferior“
bezeichneten Vorchor, der
auch zwei Stufen höher liegt als der westliche Langhaus-
teil. Dieser Vorchor ist durch Schranken von den Seiten-
schiffen getrennt, auf denen Mittelpfeiler in achteckiger
Form stehen, die zur Deckplatte hin wieder in Vierecke
übergehen. Hier sind die einzigen Pfeiler mit figürlichem
Schmuck, einem Kopf und einem Brustbild, die aber nicht
mehr näher zu bestimmen sind. Es wird vermutet, daß mit
der Zerstörung Helmstedts 1199 auch die Stiftskirche er-
heblich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Anschließend
könnten vor der Weihe 1236 die höhere Ausführung der
Obergadenwände ebenso erfolgt sein wie die gotischen
Bogen der Vierung sowie die spitzbogigen Ostarkaden des
Langhauses.
Gerhard Lutz hat in seiner sehr detailreichen Beschreibung
des Klosters St. Marienberg auf einen besonders interessan
ten Aspekt hingewiesen, nämlich die engen Beziehungen,
die sich aus dem Bauschmuck, insbesondere der beiden
Portale und der Westfront der Stiftskirche zum Magdeburger
Dom ergeben. Dessen Überlegungen sollen aufgrund ihrer
Bedeutung hier vollständig wiedergegeben werden, zumal
damit zugleich einige interessante Details zum Bauschmuck
ergänzt werden:
„Die Schmuckformen der beiden Portale
wie der Westteile überhaupt lassen eine große Ähnlichkeit
zum Chor des Magdeburger Doms erkennen. Dies zeigt
sich in St. Marienberg speziell an der Rahmung des Fensters
an der Südseite des Westbaus. Bei den dortigen Kapitellen,
die noch zum ursprünglichen Bestand gehören, wird trotz
ihres schlechten Erhaltungszustandes – vor allem das rechte
ist durch Umwelteinflüsse stark beschädigt – die hohe
künstlerische Qualität noch deutlich: Ihnen sind wie am
Westportal auf der linken Seite Spiralranken aufgelegt, die
jedoch deutlich graziler und durch zahlreiche Überschnei-
dungen des Rankenwerks auch reliefhafter sind, sowie auf
der rechten kranzartig hochwachsende Stengel. Der Kapitell
körper ist so stark eingetieft, daß die Pflanzenformen frei
vor diesen zu treten scheinen und die zugrundeliegende
Kelchform durch die vielfältigen Überschneidungen vom
Betrachter nicht mehr als solche aufgefasst wird. Große
Ähnlichkeit besitzen diese beiden Kapitelle mit jenen im
Erdgeschoß des Magdeburger Chorumgangs. Charakteristisch
für beide Bauten ist auch, daß die recht unterschiedlichen
Kapitelltypen einander direkt gegenübergestellt werden. Die
Parallelen zwischen dem linken Kapitell in St. Marienberg
und den Magdeburger Beispielen sind gar so eng, daß die
Vermutung nahe liegt, der Steinmetz sei von der unweit
gelegenen Kathedralbaustelle nach Helmstedt gekommen.
Die engen künstlerischen Beziehungen zu Magdeburg lassen
sich auch im Inneren weiterverfolgen: Dort fallen besonders
die reich dekorierten Kapitelle des Gurtbogens ins Auge,
der das Mittelschiff vom westlichen Vorjoch trennt. Auch
hier wurden wiederum zwei sehr unterschiedliche Kapitell-
typen miteinander konfrontiert. Das südliche Kapitell besitzt
erneut eine kranzförmige Anordnung der Blätter. Im Unter-
schied zu den Beispielen am Außenbau zeigt sich hier nun
eine stärkere horizontale Schichtung. Kürzere und längere
Blätter wechseln sich ab, wobei die längeren an ihrem
oberen Ende nach außen gebogen sind und reiche Blattge-
bilde entwickeln. Das nördliche Kapitell besitzt die für die
Gotik jener Zeit typische Knospenform. Ein sehr ähnliches
Nebeneinander gibt es beim Bischofsgang des Magdeburger
Domes, wo gerade die Blattkapitelle bis in Details vergleich
bar sind.